Samstag, 28. April 2012


Samstag, 28. April

Jazz-Festival und Heimweh


Heute war irgendwie kein guter Tag. Ich hatte echt schlecht geschlafen und war total gerädert aufgewacht. Nach dem Frühstück bin ich mit einem tadschikischen Freund auf den Basar gegangen, weil ich eine Jogginghose und Sportschuhe brauche.Ich sitze hier viel zu viel rum, und ein bisschen Bewegung kann da wirklich nicht schaden. In der Nähe des Basars gibt es tatsächlich einen Second- Hand-Laden und ich hätte dort sogar H&M-Klamotten kaufen können. Schließlich habe ich eine Sporthose, einen Kapuzenpulli, eine Schlafanzughose und ein neues Paar Schuhe für 60 Somoni (das sind nicht mal 10 Euro) ergattert. Zum Glück hatte ich den tadschikischen Freund dabei, sonst wäre ich nicht so günstig davongekommen. 

Eine Verkaufsstraße auf dem "Grünen Basar" - an einem relativ ruhigen Tag (aslo nicht heute)

Es war sehr lustig mit ihm und außerdem spricht er ein unschlagbar putziges Deutsch – er sagt Dinge wie „dann machen wir Tschuss“, „da haben wir gesitzt“ (anstatt von gesessen) oder Türm und Gürke (anstatt von Turm und Gurke). Während unserer Shoppingtour hat es andauernd geregnet und es war sehr voll auf dem Basar, und schließlich habe ich mir auch noch, zur Belustigung aller umstehenden Leute, mit dem Wasser, dass sich in einer Plane gesammelt hatte und an die ich aus Versehen gestoßen war, reichlich unfreiwillig die Haare gewaschen. Als ich nach Hause kam, war ich total fix und fertig und habe plötzlich einen ganz schlimmen Anfall von Heimweh bekommen. - Was? Nach zwei Wochen schon? Jaaa, gaanz furchtbar!

Nachdem also heute nicht so viel Aufregendes passiert ist, wollte ich von meinem gestrigen Abend erzählen. Dieses Wochenende findet in Dushanbe das 3. Internationale Ethno-Jazz-Festival statt. Es spielen vor allem Bands und Combos aus Zentralasien, die aber auch Gastmusiker aus Europa oder Amerika dabei haben. 

Nach einer unglaublich langen dreiviertel Stunde mit unglaublich langweiligen Eröffnungsreden – die meisten Gäste waren schon über der Stuhllehne oder aufeinander liegend eingeschlafen – ging es endlich los. Die erste Band kam aus Kasachstan (ober Aserbaidschan? Das ist nicht so ganz klar geworden), und die Lieder waren eine sehr schöne Mischung aus Jazz, Pop und traditionellen Elementen. Alles sehr Ethno.

Als nächstes kam eine Gruppe aus Kirgistan. Hätte ich es nicht besser gewusst, ich hätte gesagt, da stehen vier Chinesen auf der Bühne. Ehrlich! Und dann passierte etwas, was ich wirklich nicht erwartet hatte. Die Musiker spielten reinsten, glatten amerikanischen Jazz und Swing. Das Ganze Szenario war so absurd, das ich mit offenem Mund und kopfschüttelnd dasaß. Nach dem ersten Stück kam ein weiterer Musiker auf die Bühne, der aussah wie ein chinesisch-kirgisischer James Brown - vielleicht nicht so dick, aber die Frisur stimmte allemal. Und sie spielten echt groovigen Dancefloorjazz. Die Musik war klasse, aber wirklich Ethno waren hier nur die Musiker selber. 

 
Eine kurz 18-Sekunden-Impression

Für das nächste Stück kam eine Frau mit einer traditionellen Komuz auf die Bühne, ein Instrument, das aussieht wie eine langgezogene Ukulele. Die heiße Dame (in engen Hosen und hohen Lackschuhen) ließ meisterhaft ihre flinken Hände über das Instrument fliegen. Im Publikum kam plötzlich Stimmung auf und als sie das Ding mit einer feurigen Bewegung auch noch über die Schulter warf und dort weiter gekonnt mit den Händen darüber wirbelte, war das Publikum laut am Applaudieren.
Danach wurde es dann aber sofort wieder seriös auf der Bühne und die Band spielte weiter ihren klassischen amerikanischen Jazz, so als wäre nie etwas Außergewöhnliches passiert.

Am Schluss trat noch eine tadschikische Band mit Sängerin auf und auch das war  eine sehr schöne Mischung aus tadschikischem Pop und westlichem Jazz mit vielen traditionellen Instrumenten. Als ich mit meiner Freundin das Konzert verließ hatte ich für einen Abend lang ganz vergessen, das ich ja in Tadschikistan bin. Es war schon dunkel geworden und auf dem Nachhauseweg habe ich noch diese nächtliche Impression fotografiert:

Naja - eine funktionierende Lampe reicht ja nun auch wirklich vollkommen aus!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen