Samstag, 28. April
Jazz-Festival und Heimweh
Heute war irgendwie kein guter Tag.
Ich hatte echt schlecht geschlafen und war total gerädert aufgewacht. Nach dem
Frühstück bin ich mit einem tadschikischen Freund auf den Basar gegangen, weil
ich eine Jogginghose und Sportschuhe brauche.Ich sitze hier viel zu viel rum,
und ein bisschen Bewegung kann da wirklich nicht schaden. In der Nähe des
Basars gibt es tatsächlich einen Second- Hand-Laden und ich hätte dort sogar H&M-Klamotten kaufen können. Schließlich habe ich eine Sporthose, einen
Kapuzenpulli, eine Schlafanzughose und ein neues Paar Schuhe für 60 Somoni (das
sind nicht mal 10 Euro) ergattert. Zum Glück hatte ich den tadschikischen Freund dabei,
sonst wäre ich nicht so günstig davongekommen.
Eine Verkaufsstraße auf dem "Grünen Basar" - an einem relativ ruhigen Tag (aslo nicht heute) |
Es war sehr lustig mit ihm und
außerdem spricht er ein unschlagbar putziges Deutsch – er sagt Dinge wie „dann
machen wir Tschuss“, „da haben wir gesitzt“ (anstatt von gesessen) oder Türm
und Gürke (anstatt von Turm und Gurke). Während unserer Shoppingtour hat es andauernd geregnet und es war sehr voll auf dem Basar, und schließlich habe ich mir auch noch, zur Belustigung
aller umstehenden Leute, mit dem Wasser, dass sich in einer Plane gesammelt
hatte und an die ich aus Versehen gestoßen war, reichlich unfreiwillig die Haare
gewaschen. Als ich nach Hause kam, war ich total fix und fertig und habe
plötzlich einen ganz schlimmen Anfall von Heimweh bekommen. - Was? Nach zwei
Wochen schon? Jaaa, gaanz furchtbar!
Nachdem also heute nicht so viel
Aufregendes passiert ist, wollte ich von meinem gestrigen Abend erzählen.
Dieses Wochenende findet in Dushanbe das 3. Internationale Ethno-Jazz-Festival
statt. Es spielen vor allem Bands und Combos aus Zentralasien, die aber auch
Gastmusiker aus Europa oder Amerika dabei haben.
Nach einer unglaublich langen
dreiviertel Stunde mit unglaublich langweiligen Eröffnungsreden – die meisten
Gäste waren schon über der Stuhllehne oder aufeinander liegend eingeschlafen – ging es endlich
los. Die erste Band kam aus Kasachstan (ober Aserbaidschan? Das ist nicht so
ganz klar geworden), und die Lieder waren eine sehr schöne Mischung aus Jazz,
Pop und traditionellen Elementen. Alles sehr Ethno.
Als nächstes kam eine Gruppe aus
Kirgistan. Hätte ich es nicht besser gewusst, ich hätte gesagt, da stehen vier
Chinesen auf der Bühne. Ehrlich! Und dann passierte etwas, was ich wirklich nicht
erwartet hatte. Die Musiker spielten reinsten, glatten amerikanischen Jazz
und Swing. Das Ganze Szenario war so absurd, das ich mit offenem Mund und
kopfschüttelnd dasaß. Nach dem ersten Stück kam ein weiterer Musiker auf die
Bühne, der aussah wie ein chinesisch-kirgisischer James Brown - vielleicht nicht
so dick, aber die Frisur stimmte allemal. Und sie spielten echt groovigen Dancefloorjazz.
Die Musik war klasse, aber wirklich Ethno waren hier nur die Musiker selber.
Eine kurz 18-Sekunden-Impression
Für das nächste Stück kam eine Frau
mit einer traditionellen Komuz auf die Bühne, ein Instrument, das aussieht wie
eine langgezogene Ukulele. Die heiße Dame (in engen Hosen und hohen Lackschuhen)
ließ meisterhaft ihre flinken Hände über das Instrument fliegen. Im Publikum kam
plötzlich Stimmung auf und als sie das Ding mit einer feurigen Bewegung auch
noch über die Schulter warf und dort weiter gekonnt mit den Händen darüber wirbelte, war das Publikum laut am Applaudieren.
Danach wurde es dann aber sofort wieder
seriös auf der Bühne und die Band spielte weiter ihren klassischen amerikanischen Jazz, so als wäre
nie etwas Außergewöhnliches passiert.
Am Schluss trat noch eine
tadschikische Band mit Sängerin auf und auch das war eine sehr schöne Mischung
aus tadschikischem Pop und westlichem Jazz mit vielen traditionellen
Instrumenten. Als ich mit meiner Freundin das Konzert verließ hatte ich für
einen Abend lang ganz vergessen, das ich ja in Tadschikistan bin. Es war schon dunkel geworden und
auf dem Nachhauseweg habe ich noch diese nächtliche Impression
fotografiert:
Naja - eine funktionierende Lampe reicht ja nun auch wirklich vollkommen aus! |
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