Montag, 30. April 2012


Sonntag, 29. April

Spaziergang im Siegesspark


Während in Deutschland gerade der Sommer ausgebrochen ist, regnet es hier in Tadschikistan immer noch und inzwischen ist es richtig kühl geworden. Aber heute haben ein Freund und ich es geschafft in einer „Regenpause“ im Siegespark spazieren zu gehen. 

Weil der Park auf einem Hügel liegt, geht es an manchen Stellen ganz schön steil bergauf. Man könnte natürlich auch eine abenteuerliche Fahrt in einer kleinen Gondel nach oben machen, aber zum Glück ist die Seilbahn gerade nicht in Betrieb. 

Hier wäre man angekommen, ...
... wenn man mit dieser Gondel ...

... diesen abenteuerlichen Weg heraufgefahren wäre.

Für die tapferen Fußgänger gibt es einen kleinen Kiosk auf dem Weg zum „Gipfel“ …

Hausverkauf

Der Siegespark ist bei den Tadschiken ein beliebtes Ausflugsziel, vor allem an den Wochenenden und Feiertagen wenn die Sonne scheint. Relativ weit oben befindet sich das Siegesdenkmal, zu dem eine geteerte Straße führt. Läuft man daran entlang muss man sich vor den Autos in Acht nehmen, die dort mit halsbrecherischer Geschwindigkeit hoch- und runterfahren. Am Wegrand stehen immer wieder Gruppen von Jugendlichen, und sie hören laut Musik aus dem Autoradio. Das Denkmal wurde noch zu Sowjetzeiten zum 30. Siegestag über Deutschland erbaute und jedes Jahr am 9. Mai findet hier die Parade zum Siegestag und zur Ehrung der Kriegshelden statt.

Siegesdemnkmal ...


... und Kriegshelden.

Während wir hochlaufen braut sich ein Gewitter über Dushanbe zusammen. Aber das beeindruckt uns wenig. 

Phhh! Lächerlich!

Wir lassen das Denkmal hinter uns und je höher wir gehen, umso ruhiger und grüner wird es. Wir kommen an einem abgesperrten Areal vorbei, auf dem das Radar für den Flughafen in Dushanbe steht, der irgendwo tief unten am Stadtrand liegt – absurd. 

Mitten in der Pampa - das Radar für den Flughafen

Schließlich erreichen wir ein paar wunderschöne Haine von wilden Pistazienbäumen. Die Aussicht auf Dushanbe und die Umgebung wird immer beeindruckender und Richtung Norden kann man weit bis zu den ersten Tälern des Zerafshangebirges sehen. Auf dem lehmigen Boden versuchen ein paar Blumen etwas Farbe in die grün-braune Monotonie zu bringen.

Revolution gegen zu viel Grün und Braun

Erst als wir schon wieder auf dem Nachhauseweg sind, fängt es an zu regnen. Zu Hause gibt es dann lecker Plov zur Stärkung bevor ich zum Tadschikisch-Unterricht gehe und danach totmüde ins Bett falle.
Für alle, die ihn nicht kennen: Plov ist ein unglaublich leckeres Reisgericht mit Karotten, Kreuzkümmel, Baumwollöl und ein bisschen magerem Schafsfleisch.

Samstag, 28. April 2012


Samstag, 28. April

Jazz-Festival und Heimweh


Heute war irgendwie kein guter Tag. Ich hatte echt schlecht geschlafen und war total gerädert aufgewacht. Nach dem Frühstück bin ich mit einem tadschikischen Freund auf den Basar gegangen, weil ich eine Jogginghose und Sportschuhe brauche.Ich sitze hier viel zu viel rum, und ein bisschen Bewegung kann da wirklich nicht schaden. In der Nähe des Basars gibt es tatsächlich einen Second- Hand-Laden und ich hätte dort sogar H&M-Klamotten kaufen können. Schließlich habe ich eine Sporthose, einen Kapuzenpulli, eine Schlafanzughose und ein neues Paar Schuhe für 60 Somoni (das sind nicht mal 10 Euro) ergattert. Zum Glück hatte ich den tadschikischen Freund dabei, sonst wäre ich nicht so günstig davongekommen. 

Eine Verkaufsstraße auf dem "Grünen Basar" - an einem relativ ruhigen Tag (aslo nicht heute)

Es war sehr lustig mit ihm und außerdem spricht er ein unschlagbar putziges Deutsch – er sagt Dinge wie „dann machen wir Tschuss“, „da haben wir gesitzt“ (anstatt von gesessen) oder Türm und Gürke (anstatt von Turm und Gurke). Während unserer Shoppingtour hat es andauernd geregnet und es war sehr voll auf dem Basar, und schließlich habe ich mir auch noch, zur Belustigung aller umstehenden Leute, mit dem Wasser, dass sich in einer Plane gesammelt hatte und an die ich aus Versehen gestoßen war, reichlich unfreiwillig die Haare gewaschen. Als ich nach Hause kam, war ich total fix und fertig und habe plötzlich einen ganz schlimmen Anfall von Heimweh bekommen. - Was? Nach zwei Wochen schon? Jaaa, gaanz furchtbar!

Nachdem also heute nicht so viel Aufregendes passiert ist, wollte ich von meinem gestrigen Abend erzählen. Dieses Wochenende findet in Dushanbe das 3. Internationale Ethno-Jazz-Festival statt. Es spielen vor allem Bands und Combos aus Zentralasien, die aber auch Gastmusiker aus Europa oder Amerika dabei haben. 

Nach einer unglaublich langen dreiviertel Stunde mit unglaublich langweiligen Eröffnungsreden – die meisten Gäste waren schon über der Stuhllehne oder aufeinander liegend eingeschlafen – ging es endlich los. Die erste Band kam aus Kasachstan (ober Aserbaidschan? Das ist nicht so ganz klar geworden), und die Lieder waren eine sehr schöne Mischung aus Jazz, Pop und traditionellen Elementen. Alles sehr Ethno.

Als nächstes kam eine Gruppe aus Kirgistan. Hätte ich es nicht besser gewusst, ich hätte gesagt, da stehen vier Chinesen auf der Bühne. Ehrlich! Und dann passierte etwas, was ich wirklich nicht erwartet hatte. Die Musiker spielten reinsten, glatten amerikanischen Jazz und Swing. Das Ganze Szenario war so absurd, das ich mit offenem Mund und kopfschüttelnd dasaß. Nach dem ersten Stück kam ein weiterer Musiker auf die Bühne, der aussah wie ein chinesisch-kirgisischer James Brown - vielleicht nicht so dick, aber die Frisur stimmte allemal. Und sie spielten echt groovigen Dancefloorjazz. Die Musik war klasse, aber wirklich Ethno waren hier nur die Musiker selber. 

 
Eine kurz 18-Sekunden-Impression

Für das nächste Stück kam eine Frau mit einer traditionellen Komuz auf die Bühne, ein Instrument, das aussieht wie eine langgezogene Ukulele. Die heiße Dame (in engen Hosen und hohen Lackschuhen) ließ meisterhaft ihre flinken Hände über das Instrument fliegen. Im Publikum kam plötzlich Stimmung auf und als sie das Ding mit einer feurigen Bewegung auch noch über die Schulter warf und dort weiter gekonnt mit den Händen darüber wirbelte, war das Publikum laut am Applaudieren.
Danach wurde es dann aber sofort wieder seriös auf der Bühne und die Band spielte weiter ihren klassischen amerikanischen Jazz, so als wäre nie etwas Außergewöhnliches passiert.

Am Schluss trat noch eine tadschikische Band mit Sängerin auf und auch das war  eine sehr schöne Mischung aus tadschikischem Pop und westlichem Jazz mit vielen traditionellen Instrumenten. Als ich mit meiner Freundin das Konzert verließ hatte ich für einen Abend lang ganz vergessen, das ich ja in Tadschikistan bin. Es war schon dunkel geworden und auf dem Nachhauseweg habe ich noch diese nächtliche Impression fotografiert:

Naja - eine funktionierende Lampe reicht ja nun auch wirklich vollkommen aus!

Freitag, 27. April 2012

Freitag, 27. April

Tadschikische Architekturstillleben mit sowjetischem Charme I


Heute will ich einmal Fotos von ein paar Gebäuden der Stad zeigen. Dushanbe ist eigentlich schon sehr alt – archäologische Funde weisen auf erste Besiedlungen vor bereits 2500 Jahren hin. Dushanbe bedeutet Montag, denn in dem Dorf, das sich unter der Sowjetunion schließlich zur Hauptstadt der Republik Tadschikistan entwickelt hat, war jeden Montag Markt, oder besser gesagt Bazar. Dushanbe ist eine klassische sowjetische Planstadt mit großzügig angelegten Parks, breiten Straßen und Alleen und Springbrunnen. Bis 1969 hieß es Stalinabad. 

Die typischen sowjetischen Prunkbauten haben den sogenannten Zuckerbäckerstil und sind mit leuchtenden Farben angemalt. Die Stuckverzierungen darauf sind weiß und sehen aus wie Zuckerguss. Daher der Name. Allerdings gibt es auch unzählige, graue Plattenbauten und viele Stadtteile bestehen aus einstöckigen Lehmbauten, die der Stadt ebenso ihr charakteristisches Bild geben. Die neuesten Gebäude schließlich sind ein Konglomerat (haha - bescheuertes Wort, was?) aus westlicher Architektur mit sowjetischen und orientalischen Elementen. In dieser Mischung aus alt und neu, gepflegt und heruntergekommen finden sich so viele schöne „Stillleben“, dass sicher noch einige Blogeinträge mit Fotos dazu folgen werden…

Hochhäuser im sowjetischen Stil

Hinterhofstillleben

Grün und Grün beißt sich

Rosa Zuckerbächerstil ...

... und blauer Zuckerbäckerstil

Opa – lost and found


Der Großvater ist vor zwei Tagen zurück ins Dorf gegangen. Sehr schade! Als ich gestern Abend nach Hause kam (ich durfte das teuerste Hotel der Stadt ansehen – Fotos folgen), war die ganz Familie in großer Aufregung. Der Opa ist manchmal ein bisschen verwirrt und er hatte das Haus verlassen und war nicht mehr aufzufinden. Das halbe Dorf beteiligte sich an der Suche, und während sich die meisten in meiner Familie nach kurzer Zeit wieder beruhigt hatten, sah ich, dass die sonst so gut gelaunte Tochter – Mansura – ganz verweinte Augen hatte. Ohje! Da scheint mir ein ganz klarer Fall von Lieblings-Opa-Enkel-Beziehung vorzuliegen. Zum Glück kam am Morgen ein Anruf, dass der Opa zu einem Nachbarn gegangen war und bei ihm geschlafen hatte. Der Vater ist sofort dorthin gefahren und hat den Großvater hierher geholt. Und so höre ich ein paar Mal am Tag wieder das gewohnte „Schlurf … Schlurf … Tock“, wenn er durch den Hof läuft, und vor allem auch wieder Mansuras Lachen. 

Mansura lacht zum Glück wieder :)

Donnerstag, 26. April 2012


Donnerstag, 26. April

Es ist wieder soweit – oder: wie Tadschikistan mich zum Quartalssäufer macht


Immer, wenn ich nach Tadschikistan komme, habe ich früher oder später Probleme mit dem Magen und der restlichen Verdauung. Den Menschen, die die Landesküche nicht gewohnt, sind kann das Essen hier manchmal ganz schön schwer im Magen liegen. Leitungswasser sollten Europäer gar nicht trinken (die Tadschiken eigentlich auch nicht, aber viele tun es trotzdem). Im Sommer genießt man Milchprodukte besser mit Vorsicht und es ist ratsam Mayonnaise oder Buttercreme zu meiden. Das ist schade, denn die tadschikischen Torten sind immer kunstvoll verziert und sehen sehr verlockend und lecker aus. 

Yummy, yummy! Tort ...

... und andere tadschikische Leckereien!

Heute scheine ich irgendetwas Falsches gegessen zu haben. Mir ist ganz schwummrig im Magen und ich habe Sorge, dass ich heute Nacht einen tiefen Blick in das Plumpsklo werfen darf. Meine Erfahrung ist allerdings, dass tadschikischer Wodka super gegen dieses Problem hilft. Während meiner vergangenen Aufenthalten hier gab es schon einige Abende, an denen ich von dieser „Medizin“ getrunken habe, und zwar so viel, bis ich gespürt habe, dass „da drin“ alles wieder in Ordnung ist. Das Problem: alle, die mich kennen, wissen, dass ich in Deutschland nur ganz selten Alkohol trinke. Ich mache dann meist Dinge, die ich später bereue und wenn ich im Bett liege dreht sich alles eigenartig in verschiedene Richtungen und ich scheine mich in bisher ungekannten Dimensionen zu bewegen. Und der Kater danach dauert bei mir immer ungewöhnlich lange  – das Ganze lohnt sich für mich also nicht. Bei meinem regelmäßig stark erhöhten Konsum hier in Tadschikistan habe ich immer ein bisschen Angst, zum Alki zu werden, aber der tadschikische Wodka brennt nun einmal einfach alles weg, und früh genug angewendet ist er die beste Medizin…

Mein bester Freund hier in Tadschikistan ..

Nach ein paar Schlucken des Arraki Todschikiston sitze ich gerade recht angeschickert auf meinem Bett und schreibe diesen Blogbeitrag. Der einzige Vorteil ist: das Schreiben geht mir sehr viel leichter von der Hand – hicks! Wohl bekomms!!!

Mittwoch, 25. April

Regen in Dushanbe


Die vergangene Woche hat es in Dushanbe sehr oft geregnet. Das ist neu für mich, denn bisher war ich nur im Sommer hier (Juli oder August) und dann ist es in Tadschikistan immer heiß, heiß, heiß, heiß, heiß. Die Straßen sind staubig und man ist froh, wenn man unter den Bäumen ein wenig Schatten findet. Nur manchmal wird der Himmel ganz diesig, so als würde ein Smog über der Stadt liegen. Dann ist der Afghaniets da (das gh muss man wie das r in braun lesen), ein Sandwind, der von Afghanistan her über die Berge weht. 

Ganz neu für mich: in Dushanbe gießt es wie aus Eimern

Weil hier im Sommer so lange ununterbrochen die Sonne scheint sind die Berge um Dushanbe (und natürlich auch im Rest des Landes) ganz „verbrannt“ und braun. Umso schöner ist es, sie einmal grün und den Himmel darüber mit Wolken verhangen zu sehen. Sieht fast ein bisschen wie im Voralpenland aus, was?  

Grüne Berge ...

... und tief hängeden Wolken.

Das Klima in Tadschikistan ist extrem kontinental mit sehr kalten Wintern und sehr heißen Sommern. Die Übergansjahreszeiten sind meist recht kurz. Am 21. März diesen Jahres zum Beispiel, pünktlich zu Nouruz, dem persischen Neujahrsfest, hat es hier ganz dick geschneit – wobei so später Schnee in Tadschikistan auch eher eine Ausnahme ist. Als ich Mitte April hierherkam war es schon sommerlich warm.

Mittwoch, 25. April 2012


Dienstag, 24. April

Milchkaffee und Internet


Heute treffe ich mich wieder mit einer tadschikischen Freundin. Wir wollen ein bisschen über meinen Interviewleitfaden sprechen, den ich für meine Befragung ausgearbeitet habe. Wir verabreden uns im Morning Star Café. Wie der Name schon vermuten lässt geht es hier nicht hundertprozentig tadschikisch zu. Das Café wurde von einem Amerikaner aufgemacht, ist aber inzwischen in tadschikischer Hand. 

Mischmasch der Caféhauskulturen

Tatsächlich gibt es hier Cookies, Käsekuchen, Milchkaffee und W-LAN. Es ist wirklich absurd: da fliegt man um die halbe Welt um eine andere Kultur kennenzulernen und endet doch wieder irgendwie bei "Starbucks". Ich entscheide mich schließlich für einen Walnuss-Karotten-Kuchen und einen heißen Apfelsaft – natürlich nur um ein Beweisfoto machen zu können!!

American style Karottenkuchen auf russisch-tadschikischem Teller und Beinahe-Milchkaffee

Während wir sitzen und reden kommen immer wieder Europäer und Amerikaner herein und machen es sich bei Kaffee und Kuchen gemütlich. Es sind Mitarbeiter der hier ansässigen Hilfsorganisationen, die teilweise über mehrere Jahre hinweg im Land leben und arbeiten. Da kann man schon verstehen, dass sie zwischendurch die Sehnsucht nach heimatlichen Genüssen packt.

Internetstick


Schon am zweiten oder dritten Tag habe ich mir hier einen Internetstick besorgt. Das ist irgendwie toll, denn so kann ich Zeitung lesen und recherchieren und muss dafür nicht jeden Tag ins Internetcafé laufen und dort verhältnismäßig viel Geld lassen – dachte ich! Und Emails schreiben und skypen kann ich auch jederzeit (auch wenn die Gespräche zwischendurch immer wieder unterbrochen werden). Aber komisch ist es doch: früher ist man für ein paar Monate weggefahren und wenn alles gut ging hat man ein- vielleicht zweimal im Monat mit der Familie zu Hause telefoniert. Jetzt ist man immer und überall erreichbar…

Nun gut, ich habe mich für einen Internetstick mit 4 GB-Flat im Monat entschieden, und sollte sich herausstellen, dass ich mehr brauche, kann ich immer noch in den Laden gehen und ihn „aufstocken“. Von letztem Mittwoch bis heute Mittag war ich für ungefähr 450 MB im Internet unterwegs. Als ich heute Nachmittag erneut kontrolliere wie viel ich verbraucht habe, trifft mich schier der Schlag. In weniger als 5 Stunden habe ich für über neun Millionen (!!!) GB gesurft! Hier der Beweis:

Viele, viele GB...

Ich glaub's einfach nicht! Bin ich in ein Zeitloch gefallen oder was? Habe ich in hundet Parallelwelten gleichzeitig gesurft? Oder ist das hier ein schwerer Fall von GB-Schwarzhandel? Ich meine, selbst, wenn ich ohne Unterlass jede Sekunde 1 MB herunterlade, wäre ich in über 280 Jahren immer noch nicht bei dieser gigantischen Datenmenge. Nun werde ich wohl in den Laden gehen und das klären müssen. Ansonsten kommt mich das Überziehen der 4 GB-Grenze echt verdammt teuer…

Montag, 23. April

Lecker Sachen selber machen: Tortellini, oder was?


Wenn ich von meinem Zimmer zum Klo gehe, komme ich immer an der Küche vorbei. Meistens ist dort jemand und bereitet Essen vor. Als ich heute ein wenig gedankenverloren vom Klo zurückgeschlappt komme (ja, gut, ich gebe es zu, ich habe mir extra für Tadschikistan Badelatschen gekauft – aber sie sind hier wirklich ein unverzichtbares „Accessoire“), ruft meine Gastmutter aus der Küche, ich solle herkommen und gucken, was sie gerade machen. 

Und da sitzen sie und die beiden Schwiegertöchter und bereiten tatsächlich von Hand Tortellini zu. Naja gut, zumindest sieht das, was sie da machen wie Tortellini aus, aber ich glaube hier heißt es Pelmeni (verbessere mich, wenn das nicht stimmt Elena). Es gäbe die gefüllten Nudeltaschen natürlich auch im Laden zu kaufen, aber das ist zu teuer. Und da viele Tadschiken nur wenig Geld haben, machen sie die meisten Lebensmittel, die wir vollkommen selbstverständlich im Supermarkt kaufen, selber. Als ich mich dazu setze und helfe und meine, dass das ganz schön viel Arbeit sei, sagen die Frauen, dass sie sich die Pelmeni aus dem Geschäft nicht leisten könnten. Und nicht ganz ohne Stolz meint meine Gastmutter, dass die gekauften Pelmeni auch gar nicht so lecker schmecken würden wie ihre selbergemachten. 

Zuerst wird der Teig von Hand ganz dünn ausgewellt, nicht mit dem Nudelholz oder gar einer Nudelmaschine, sondern nur mit einem Stab auf einem langen Brett. Dann wird er in kleine Quadrate geschnitten, etwas Füllung darauf gelegt und das Ganze schließlich zu Tortellini geformt. Ich stelle mich ein wenig ungeschickt an und das, was schließlich meine Hand verlässt sieht eher aus wie … naja … zerknüllte Teigbällchen als kunstvoll geformte Tortellini. 

Auswellen ...

... füllen ...

... formen.

Auch das Brot wird in vielen Familien selber gebacken. Bei mir „zu Hause“ gibt es einen eigenen traditionellen Steinbackofen. Aber es kommt nicht selten vor, dass sich mehrere Familien einen Art Nachbarschaftsofen teilen. Auch wenn mich schon nach kurzer Zeit hier das Verlangen nach einem Stückchen Vollkornbrot plagt, geht doch nichts über ein frisch gebackenes warmes Fladenbrot mit ein bisschen russischer Marmelade und einer heißen Tasse Tee dazu. Köstlich!!!

Lecker frisches Fladenbrot - präsentiert von Mutti und Schwiegertochter
Ofen mit Warzenproblem?

Montag, 23. April 2012


Sonntag, 22. April

Fanclub (man lese das a wie in Bach und betone hinten auf dem u)


Bei meiner Familie wohnen zwischendurch immer wieder zusätzliche Gäste, meist Verwandte aus dem Dorf. Zurzeit lebt der Großvater (väterlicherseits)  als „Dauergast“ hier. Er ist schon recht alt und im Moment auch ein bisschen krank. Und weil die medizinische Versorgung in der Stadt besser ist als auf dem Land, kümmert sich die Familie in Dushanbe um ihn. Dass gerade auch noch ein zusätzlicher Gast aus Europa hier ist, bringt natürlich für alle ein bisschen Abwechslung in den Alltag. Ich habe ein kleines Zimmer für mich alleine, lasse aber meistens die Tür offen, damit frische Luft reinkommt und ich auch etwas vom alltäglichen Familienleben mitbekomme.

Mein Zimmer

Die offene Tür macht natürlich neugierig, besonders die Kinder, aber auch die Tochter – sie heißt Mansura und ich mag sie sehr gern, denn wir blödeln immer miteinander rum – und die Mutter schauen zwischendurch mal hinein, um zu sehen, was ich gerade so mache. Zwei Familienmitgliedern scheine ich es aber besonders angetan zu haben (sie mir im Gegenzug natürlich auch) und so gibt es inzwischen meinen eigenen kleinen Fanclub. Fan Nummer eins ist die kleine Maftuna (das jüngste Kind der Schwiegertochter) und Fan Nummer zwei ist der Großvater. Die Frauen in meiner Familie machen sich schon immer darüber lustig, dass ich einen neuen Verehrer gefunden habe, wenn wir am Tisch sitzen und er mich minutenlang unverwandt ansieht.

Schaue ich zu meiner Tür hinaus blicke ich auf eine Mauer, kann also nur an den Schritten erahnen, wer da gleich bei mir im Zimmer stehen wird. Höre ich ein schnelles „schlurf schlurf schlurf“ – dann weiß ich, dass jeden Moment ein kleiner Kopf  hinter der Tür hervorgucken wird, gefolgt vom restlichen Körper, der in einer winzigen Kurta steckt. Maftuna und ich winken und lachen uns immer ein paar Minuten lang zu und führen wortlose Gespräche bis sie von ihrer Mutter wieder weggeholt wird. 

Die kleine Maftuna, Fan Nr. 1

Höre ich ein langsames “Schlurf … Schlurf … Tock“ – dann weiß ich, dass sich der Großvater mit seinem Gehstock der Tür nähert. Er steckt vorsichtig den Kopf um die Ecke, obwohl er eigentlich ganz genau weiß, dass er nicht einfach so bei mir hineinschauen darf und meist wird er von meiner Gastmutter oder der Schwiegertochter schnell wieder „verjagt“.

Der Großvater, Fan Nr. 2

Sonntag, 22. April 2012


Samstag, 21. April

Meine Gastfamilie und die Sache mit der Heirat

Heute möchte ich gerne meine Gastfamilie vorstellen. Ich wohne für den ersten Monat meines Aufenthaltes in Dushanbe (der Hauptstadt von Tadschikistan, was wahrscheinlich inzwischen schon jedem klar geworden ist) in einer kleinen Mahalla (Nachbarschaft) relativ zentral, nur ein paar Gehminuten von der Hauptstraße entfernt. Als ich vor drei Jahren das erste Mal für eine Exkursion in Geographie nach Tadschikistan gekommen bin, hat unsere Gruppe auch hier gewohnt, aufgeteilt auf acht oder neun Familien. 

Das ist nun also meine Familie:

Meine Gastfamilie :)

Die etwas grimmig dreinblickende Dame ganz links ist die Frau eines Nachbarn, der Professor für Deutsch ist und bei dem sehr häufig Wissenschaftler aus Deutschland wohnen. In Wirklichkeit ist die Nachbarsfrau gar nicht so grimmig und wir haben und schon einige Male ziemlich kaputt gelacht bei dem Versuch uns gegenseitig Dinge zu erzählen und dem jeweils anderen händeringend klar zu machen was wir meinen. Daneben sitzen die Schwiegertochter des zweitältesten Sohnes, Tochter, Muddi, Vaddi und die Schwiegertochter des ältesten Sohnes mit dem jüngsten ihrer drei Kinder. Nicht auf dem Foto sind die ältere Tochter (sie ist verheiratet und wohnt auf dem Land), die beiden Männer der Schwiegertöchter, zwei weitere Söhne und die zwei älteren Kinder der ersten Schwiegertochter. In Tadschikistan wird meist im Haus auf dem Boden gegessen (mit Sitzmatten und Tischdecke – versteht sich), in den wärmeren Monaten steht aber in fast jedem Hinterhof ein sogenannter Taptschan, so etwas wie ein großes Tagesbett, auf dem die Familie dann sitzt und isst. 

Eine ganz schön große Familie, was? Die Gesellschaft in Tadschikistan ist ein wenig anders gestrickt als bei uns in Deutschland. Viele Tadschiken werden hier immer noch von ihren Eltern verheiratet. Die Mädchen sind zwischen 17 und 20 Jahren alt, 23 Jahre sind zum Beispiel schon recht spät. Die Heirat geschieht eher selten aus Liebe, und selbst wenn sich zwei junge Menschen sehr mögen, dann brauchen sie immer noch die Zustimmung ihrer Eltern. Nach der Hochzeit geht die Frau zur Familie ihres Mannes. Nicht nur, dass sie aus ihrer gewohnten Umgebung herausgerissen werden, viele der jungen Frauen leiden besonders unter ihren Schwiegermüttern, die meist auch einen starken Einfluss auf ihre Söhne haben. Für manche Frauen, die in der Stadt aufgewachsen sind, ist der Gedanke an einen Mann auf dem Land verheiratet zu werden entsetzlich und sehr beängstigend. Aber umgekehrt muss es vielleicht auch nicht besser sein. Das Paar bleibt so lange bei der Familie leben, bis der Sohn sich eine eigen Wohnung oder ein eigenes Haus leisten kann, was manchmal sehr lange dauern kann. 

Ich möchte alle Leser bitten sich kein vorschnelles Urteil darüber zu erlauben, ob diese „Heiratspraktiken“ möglicherweise scheinbar schlechter sind als bei uns. Die Gesellschaft hier ist vollkommen anders aufgebaut. Ein einfaches oberflächliches Vergleichen von bestimmten Regeln und Normen, ohne umfassend den tieferen Hintergrund zu beachten ist hier wirklich nicht angebracht, und wenn ich es mir recht überlege, nicht einmal möglich. Es wäre fatal zu glauben man könnte unsere Gesellschaftsform einfach auf diese Gesellschaft übertragen. Auch wenn die jungen Leute häufig unter den starken gesellschaftlichen Einschränkungen leiden, würde das, was bei uns scheinbare Freiheit und Individualismus bedeutet, hier zu großer Vereinsamung und Haltlosigkeit führen. Die Gesellschaft in diesem Land ist sehr stark an Familiennetzwerke gebunden, die den Einzelnen einerseits zwar erheblich einengen, ihm andererseits aber auch einen Halt bieten, ohne den er sonst – ja – irgendwie verloren wäre. 

Schwiegertochter mit ihren drei Kindern und dem jüngsten Sohn der Familie

Zum Glück habe ich eine recht fröhliche und liberale Familie „erwischt“, bei der sich die Schwiegertöchter, wie es scheint, sehr wohl fühlen und man oft lacht. Natürlich gibt es auch mal Streit oder Tage an denen die Kinder ununterbrochen quängeln (wie bei uns eben auch), aber dafür, dass hier so viele Leute auf relativ engem Raum zusammenleben, läuft alles erstaunlich ruhig und gut gelaunt.

Freitag, 20. April

Geldkurier


Ein Freund in Deutschland hat mich gebeten für seinen Bruder in Tadschikistan ein bisschen Geld mitzunehmen. Der Bruder will sich ein neues Auto kaufen, und sich als Fahrer sein Geld verdienen. Dafür kann er den „Zuschuss“ aus Deutschland sehr gut gebrauchen.

Dummerweise spricht der Bruder kein Englisch, aber irgendwie bekommen wir es am Telefon trotzdem ganz gut hin uns zu verständigen und einen Treffpunkt auszumachen. Also gut, abends um 18 Uhr am ZUM, einem ehemaligen sowjetischen Kaufhaus, das jeder in Tadschikistan kennt. Hier kann man so ziemlich alles bekommen, aber es ist auch alles ziemlich teuer. 

Das ZUM von außen. Das Foto ist von einem Kommilitone aus dem Jahr 2009, die Schrift oben existiert leider nicht mehr.

Das ZUM von innen - auch dieses Foto ist von einem Kommilitonen aus dem Jahr 2009

Nachdem es sich bei dem „Zuschuss“ doch um eine etwas größere Menge Geld handelt, versichere ich mich bei meinem Freund in Deutschland noch einmal zurück, ob auch wirklich alles in Ordnung geht und nach einigem hin und her stellt sich heraus, dass gar nicht der Bruder, sondern dessen Sohn (er spricht ein bisschen Englisch) kommen wird, um die „Ware“ entgegenzunehmen. Weil ich hier niemanden in Schwierigkeiten bringen und keine richtige Namen nennen will, mag der Sohn für einen Blogeintrag lang Suhrob heißen.

Kurz vor sechs stehe ich dann am Eingang zum ZUM und schaue erwartungsvoll jeden männlichen Tadschiken an, der an mir vorbeigeht (und das sind nicht wenige). Ein junger Mann steht lässig an ein Geländer gelehnt und schaut auf die andere Straßenseite. Ich wage zu bezweifeln, dass Suhrob große Schwierigkeiten haben wird mich zu erkennen. Es gibt zwar sehr viele internationale Hilfsorganisationen im Land, aber als Westeuropäer fällt man hier trotzdem auf und man wird meistens sehr neugierig angesehen (was für mich wirklich unheimlich erfreulich ist, weil ich das in Deutschland schon gar nicht mag). Suhrob und ich brauchen uns also keine Erkennungsblume ins Knopfloch zu stecken, aber mein Handy halte ich trotzdem griffbereit in der Hand.Schließlich trägt sich folgende, recht skurrile, Situation zu:

Der Mann am Geländer nimmt sein Telefon, wählt eine Nummer und just im selben Moment klingelt mein Handy. Ach man, super, das klappt ja toll! Ich gehe ran: „Suhrob! Salom! How are you? You wear blue Jeans and a black Shirt, don’t you?“ “Hello Petra, yes!” “Ah, great! I am standing right behind you, you just have to turn around!” „Ah, Petra, I don’t see you, where are you? I am at the ZUM!“ Yes, me too, why don’t you turn around, I am still behind you.” “Hm. I don’t see you, where are you?” “Well, I am at the main entrance of the ZUM. If you stopped looking at the buildings on the other side of the street and turned around you would see that I am right behind you!” Das Ganze geht noch ein zwei Mal so hin und her und ich verstehe nicht, warum der gute Mann weiterhin so verbohrt auf die andere Straßenseite guckt, wo wir doch ausgemacht haben, dass wir uns am ZUM treffen und er ja sogar auf der richtigen Straßenseite steht. Ich will schon auf den Mann zugehen, aber irgendwie kommen mir Zweifel und plötzlich sagt Suhrob „Ah, I can see you!“ Verwirrt drehe ich mich von meinem potentiellen Geldempfänger ab, der sich immer noch weigert in meine Richtung zu gucken, und wende meinen Blick auf die Eingangstür des ZUM, von wo aus mich gerade ein junger Tadschike ansieht. Erleichtert und mit einem erwartungsvollen Blick zeige ich fragend auf ihn. Er wiederum schaut mich überrascht an, sieht verunsichert nach links und rechts, als könne er nicht glauben, dass er da gerade von einer europäischen, scheinbar wildfremden Frau angesprochen wird. Auch das kann ich nicht so ganz verstehen, wir haben doch gerade eben miteinander telefoniert. Bevor auch diese Situation eskalieren kann höre ich von links jemanden meinen Namen rufen, ich drehe mich um und sehe einen lachenden Suhrob auf mich zu kommen. Nun, seine Hose ist weder eine Jeans und sein T-Shirt ist auch nicht schwarz sondern braun, aber was zählt das schon, ich habe ihn endlich gefunden und kann das Geld in die richtigen Hände abgeben.

Samstag, 21. April 2012


Donnerstag, 19. April

Tee und Blumen


Heute treffe ich mich mit einer tadschikischen Freundin im Botanischen Garten. Es ist schon sehr heiß hier, heißer als bei uns manchmal im Juli oder August – finde ich zumindest. Einige Tadschiken winken aber wenig beeindruckt ab und meinen, erst im Juli und August würde es richtig heiß werden. Das hier sei gar nichts!

Auf dem Weg zum Botanischen Garten sehe ich ein paar Arbeiter, die am Straßenrand Blumen pflanzen, denn die Stadt soll ja an und in der Nähe der Hauptstraße hübsch aussehen. An der Hauptstraße liegt auch der Präsidentenpalast (zum alten und neuen Präsidentenpalast später mehr) und Autos, die daran vorbeifahren, dürfen nicht staubig oder schmutzig sein. Deswegen sieht man in den Seitenstraßen die Fahrer auch immer fleißig ihre Autos waschen. Ich gehe also an den Gärtnern vorbei, es ist heiß und da sehe ich, dass sich die Männer ein Tässchen Tee für ihre Erfrischung an den Straßenrand gestellt haben. Das finde ich nur recht und billig, denn wer in der Hitze hart arbeitet darf sich zwischendurch auch an einer Tasse Tee erfrischen. Mir gefällt das Motiv so gut, dass ich nach kurzem Zögern zu den Männern gehe und frage, ob ich ein Foto machen darf. Sie schauen mich ein wenig verdutzt an, sagen aber ja, und während ich hin und hergehe, um den richtigen Bildausschnitt zu finden, fangen sie an sich über mein seltsames Verhalten lustig zu machen und Witzchen zu reißen. Klar, welcher normale Mensch fotografiert auch schon ein paar Teetassen, die da achtlos und wie selbstverständlich auf dem Boden stehen. Die Europäer sind schon echt komische Menschen! 

Tässchen Tee gefällig?
Der Botanische Garten in Dushanbe ist sehr schön und es gibt viele verschiedene, leider unbeschriftete, Pflanzen und nachgebaute traditionellen tadschikische Häuser und geschnitzte Baldachine. Letztes Jahr gab es dort eine große Veranstaltung über Gorno Badakhshan (die östliche Region Tadschikistans, die einen großen Teil des Pamir-Gebirges abdeckt) und alle durften kostenlos in den Park. Es gab Musik, Tanz und Essen und die Pamiri führten ihre Handwerkskünste vor und verkauften traditionell hergestellte Waren (zum Beispiel die berühmten Pamir-Socken). Da ich das letzte Mal ohne Eintritt in den Park durfte war für mich vollkommen klar, dass das immer so ist und so laufe ich, nachdem ich durch das Drehkreuz gegangen bin, verträumten Blickes auf die schöne Aussicht des Parks zu ohne die wiederholten Zurufe des Kassenwartes zu beachten. Meine Freundin muss mich schließlich wachrütteln und beschämt zahle ich meine zwei Somoni.

Der Botanische Garten ist einer der „Muss“-Programmpunkte für Tadschiken an ihrem Hochzeitstag. Die frischvermählten Pärchen lustwandeln ein bisschen durch den Park und lassen Hochzeitsfotos von sich machen. Aber auch an ganz gewöhnlichen Tagen posieren die Menschen vor den Blumen und lassen sich damit fotografieren. Nachdem wir ein paar solcher Menschen in gestellten Posen und in die Ferne schweifenden Blicken gesehen haben, wollen wir auch so ein Foto von uns selber machen. Leider sieht das so lustig und absurd aus, dass wir einige Zeit brauchen, bis wir wieder einigermaßen ernst sind und uns schließlich verewigen können. 

Petra und die Blumen...


Mittwoch, 18. April

OVIR oder wie ein kleiner unscheinbarer Zettel so viel Ärger machen kann…


Wenn man nach Tadschikistan fährt muss man sich innerhalb von drei Tagen bei der Inlandsbehörde OVIR melden. Tut man dies nicht muss man bei der Ausreise mit einer Strafgebühr von 100 bis 300 Somoni (die Landeswährung hier) rechnen. Hat man ein Touristenvisum und ist nur 30 Tage im Land, dann ist diese Meldung inzwischen eigentlich nicht mehr nötig. Aber in diesen Punkt sind sich die einzelnen Beamten untereinander wohl noch nicht so recht einig und da kann es einem bei der Ausreise schon einmal passieren, dass man am Flughafen nach langer, fruchtloser Diskussion mit zwei oder drei Herren in Uniform in ein Hinterzimmer geführt wird und dort die Strafgebühr nicht in Somoni sondern in Dollar oder Euro zahlen soll (1 Somon sind etwa 0,16 €) – ohne einen Quittungsbeleg dafür zu bekommen, versteht sich. Tadschikistan ist wohl nicht nur eines der ärmsten Länder der Welt, sondern auch eines der korruptesten. Das ist wirklich ein großes Problem hier.

Meldet man sich beim OVIR, dann muss die Person, bei der man lebt, mitkommen. In meinem Fall also mein Gastvater. Er kennt die Prozedur bereits vom letzten Jahr und hat sich deswegen extra einen Tag frei genommen. Eigentlich läuft alles zunächst ganz gut. An einem Schalter zahlen wir 5 Somoni und bekommen dafür ein ausgefülltes Formular. Damit gehen wir zum nächsten Schalter, geben dort unsere Pässe und das Formular ab und sollen dann eigentlich einen kleinen, ausgefüllten Zettel erhalten, was natürlich auch wieder kostet (inzwischen 235 Somoni – letztes Jahr waren es noch 135!!). Normalerweise könnte man das Geld für diesen kleinen Zettel einfach bezahlen und mit dem Papier glücklich von dannen schreiten. Da ich aber eine Quittung für die Uni brauche, müssen mein Gastvater und ich zuerst zu einer Bank laufen, dort das Geld einzahlen, den Beleg, den wir dafür bekommen, kopieren (denn es ist nicht so, dass ich die Quittung behalten dürfte, was der ganzen Prozedur ja einen Sinn geben würde – nein! Die Quittung wird vom OVIR einbehalten) und dann zurück zum zweiten Schalter gehen. Aber leider scheint der Mann am zweiten Schalter (er ist plötzlich einfach nicht mehr da und taucht erst nach etwa 10 Minuten wieder auf) ein schwerwiegendes Problem damit zu haben, den kleinen Zettel auszufüllen und ihn uns zu geben. Mein Gastvater soll am nächsten Tag wieder kommen. Er muss sich also ein weiteres Mal für mich frei nehmen. Mein Pass bleibt natürlich so lange beim OVIR. Kein besonders erfreuliches Gefühl in einem fremden Land seine Identität aus der Hand zu geben.

Kleiner Zettel, große Probleme - naja gut, mittelgroße Probleme!

Mittags gehe ich mit meiner Gasttochter in den Telefonladen und wir besorgen mir eine SIM-Karte und einen Internetstick. Zum Glück kann die Dame am Tresen ein wenig Englisch und so müssen keinen wilden Tanz aus pantomimischen Gesten und ausdrucksstarker Mimik ausführen um uns zu verständigen. Denn um meine tadschikischen und russischen Kenntnisse ist es immer noch sehr schlecht bestellt…

Wissenswertes: 
Tadschikistan war, wie die anderen vier zentralasiatischen Länder auch, über 70 Jahre unter sowjetischer Herrschaft. Während der Sowjetzeit war das Russische die Hauptsprache und wurde in den Schulen unterrichtet. Inzwischen sprechen viele Menschen wieder hauptsächlich Tadschikisch, oder besser gesagt einen Mischmasch aus Russisch und Tadschikisch. Früher wurde das Tadschikische in arabischer Schrift geschrieben (Tadschikisch und Persisch sind, will man es ganz einfach ausdrücken, eigentlich dasselbe), aber 1940 wurde das kyrillische Alphabet eingeführt und das gilt auch heute noch, obwohl sich viele hier die arabische Schrift zurückwünschen.

Dienstag, 17. April

Kanfirenzia


Heute muss ich zu einem Workshop über Landwirtschaft in Tadschikistan, zu dem mich ein Doktorand aus dem Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) in Bonn eingeladen hat, der auch in Tadschikistan arbeitet. Wenn man in Tadschikistan zur Uni geht muss man sich immer fein machen und schön anziehen. Die männlichen Studenten tragen dort Anzug und Krawatte, die weiblichen entweder Rock und Bluse oder eine besonders gute Kurta (das traditionelle tadschikische Gewand für Frauen). Außerdem sind bei diesem Workshop einige recht wichtige tadschikische Wissenschaftler anwesend. 

Konferenzraum an der Agrar-Universität in Dushanbe mit bedeutenden tadschiksichen Wissenschaftlern
Auch wenn die Landwirtschaft nicht unbedingt mein Themengebiet ist, ist der Workshop zwischendurch ganz interessant. Die Vorträge und die nachfolgenden Diskussionen sind auf Tadschikisch, Russisch und Englisch – zum Glück ist ein Übersetzer da, und so sitze ich ganz bussiness-like am mächtigen Konferenztisch und höre dem "Geschwafel" aus den Dolmetscherkopfhörern zu...
Besonders beeindruckend im Konferenzraum finde ich die geschmackvollen in Weiß und Pink gehaltenen Plastikblumenbouquets und die adretten Fähnchenständer. 

Geschmackvolle Blümchen...

... und adrette Fähnchen!
Als Entschädigung für die manchmal etwas langweiligen Vorträge gibt es leckeres Mittagessen in der Mensa und zum Abschluss ein köstliches Abendessen in einem nahegelegenen Restaurant. Eine holländische Doktorandin, die ich auf dem Workshop kennengelernt habe, ist von dem Essen nicht ganz so begeistert. Sie ist Vegetarierin und da Tadschikistan ein sehr fleischlastiges Land ist (wie man ja schon bei meiner Familie sehen konnte), hat sie es hier nicht wirklich leicht und trifft meist auf großes Unverständnis.

Der Vorher-Nachher-Effekt


In Deutschland habe ich mir - extra für Tadschikistan - zwei niegelnagelneue Paar Schuhe gekauft. Vor allem eines der beiden Paare hat mir so gut gefallen, dass ich es am liebsten gar nicht mitgenommen hätte. Der Grund dafür ist, dass die Straßen in Tadschikistan meist ziemlich staubig und die Schuhe innerhalb kürzester Zeit mit einer ganz feinen braunen Schicht überzogen sind, die man auf Dauer kaum mehr aus dem Leder und den Nähten herausbekommt. Hier ein Foto vom typischen Vorher-Nachher-Effekt. Ich schwöre – ich bin vielleicht eine oder eineinhalb Stunden mit den Schuhen durch die Stadt gelaufen, meist an der Hauptstraße (der Rudaki – bitte hinten auf dem i betonen) entlang!

Hmm - welches Paar Schuhe hatte ich wohl zuerst an?

Freitag, 20. April 2012


Montag, 16. April

Ankunft


Mit zwei Stunden Verspätung kommen wir um sechs Uhr früh in Dushanbe an. Einerseits ist das nicht so gut, weil mein Gastvater eben genauso lange am Flughafen auf mich gewartet hat – der Arme! Andererseits fliegen wir in den Sonnenaufgang hinein und ich sehe Dushanbe das erste Mal bei Tageslicht von oben, denn die Flugzeuge landen normalerweise immer nachts, wenn es noch dunkel ist (logisch – was soll es nachts sonst sein?). Die Berge um die Stadt sind noch mit Schnee zugepudert. Das ist ein unglaublicher Anblick, vor allem, weil ich sie bisher immer nur im Sommer, von der Sonne verbrannt, gesehen habe. Bei dem Versuch diese zerklüftete Schönheit zu fotografieren, bekomme ich immerhin eine vom Blitz weiß leuchtende Fensterscheibe aufs Bild. Na toll! Hier ein Foto von den Bergen „vom Boden aus“:

Weiße Berge hinter Dushanbe

 „Zu Hause“ bei meiner Gastfamilie gibt es erst einmal viel Wiedersehensfreude und Frühstück – den tadschikischen Klassiker: Non (weißes Fladenbrot) mit flüssiger Marmelade (russische Warenje) und Choi bis zum Abwinken. Zuerst versucht meine Gastmutter mir wieder Spiegeleier zu geben (sie sind noch ein wenig glibbrig und schwimmen im Fett), aber ich „schimpfe“ ein bisschen mit ihr, denn ich will hier keine Sonderbehandlung. Ich sage, dass ich auch in Deutschland nicht jeden Tag Eier esse. Manchmal gibt es zu den Eiern seltsame hellrosa Würstchen die aussehen wie Hundepimmel – tschuldigung, aber es ist wirklich so! Meine Familie kennt meine „sonderbaren“ Essgewohnheiten zwar schon von letztem Jahr, trotzdem schauen sie sich verwundert an, nehmen den Teller mit den Eiern und essen sie kopfschüttelnd selber auf. Es ist nicht das erste Mal, dass – zwar in gedämpftem Ton, aber doch so als wäre ich gar nicht da – ungläubig darüber beraten wird, dass ich kein Fleisch mag, denn Fleisch - das muss man doch mögen: „Warum isst sie das nicht?“ „Sie mag kein Fleisch.“ „Nein! Sie mag kein Fleisch?“ „Hjaaa! Dooch! Sie sagt, sie mag das nicht.“ – Ungläubiger Blick – Kopfschütteln – Schulterzucken und beherzter Griff zu meinem Fleisch. Spätestens an diesem Punkt muss ich innerlich meistens total lachen. Ich esse in Deutschland tatsächlich nur selten Eier und Fleisch, und würde ich hier nicht vehement behaupten, ich äße das nicht, gäbe es jeden Tag Fleisch, Eier und rosa Wurst für mich. Die Tadschiken sind äußerst gastfreundlich. Sie tischen wirklich immer alles auf, was sie haben, wenn ein Gast kommt und für sich selber würden sie gar nicht so oft Fleisch kaufen, das weiß ich. Denn Fleisch ist sehr teuer und viele Tadschiken sind sehr arm. Tadschikistan ist eines der ärmsten Länder der Welt, das war es schon zu Sowjetzeiten.

Nach dem Frühstück packe ich erst einmal aus und versuche mich zu sortieren, schlafe zwischendurch aber immer wieder über meinem Rucksack ein. Ich bin schon seit fast 24 Stunden wach (ausgenommen das bisschen Schlaf, das ich im Flugzeug hatte).Und wir sind hier drei Stunden voraus, eigentlich vier, aber wegen der Sommerzeit nur 3. Stehe ich also in Tadschikistan um 6 Uhr auf, dann ist es in Deutschland erst 3 Uhr. Das ist schon verdammt früh...