Sonntag, 22. April 2012


Freitag, 20. April

Geldkurier


Ein Freund in Deutschland hat mich gebeten für seinen Bruder in Tadschikistan ein bisschen Geld mitzunehmen. Der Bruder will sich ein neues Auto kaufen, und sich als Fahrer sein Geld verdienen. Dafür kann er den „Zuschuss“ aus Deutschland sehr gut gebrauchen.

Dummerweise spricht der Bruder kein Englisch, aber irgendwie bekommen wir es am Telefon trotzdem ganz gut hin uns zu verständigen und einen Treffpunkt auszumachen. Also gut, abends um 18 Uhr am ZUM, einem ehemaligen sowjetischen Kaufhaus, das jeder in Tadschikistan kennt. Hier kann man so ziemlich alles bekommen, aber es ist auch alles ziemlich teuer. 

Das ZUM von außen. Das Foto ist von einem Kommilitone aus dem Jahr 2009, die Schrift oben existiert leider nicht mehr.

Das ZUM von innen - auch dieses Foto ist von einem Kommilitonen aus dem Jahr 2009

Nachdem es sich bei dem „Zuschuss“ doch um eine etwas größere Menge Geld handelt, versichere ich mich bei meinem Freund in Deutschland noch einmal zurück, ob auch wirklich alles in Ordnung geht und nach einigem hin und her stellt sich heraus, dass gar nicht der Bruder, sondern dessen Sohn (er spricht ein bisschen Englisch) kommen wird, um die „Ware“ entgegenzunehmen. Weil ich hier niemanden in Schwierigkeiten bringen und keine richtige Namen nennen will, mag der Sohn für einen Blogeintrag lang Suhrob heißen.

Kurz vor sechs stehe ich dann am Eingang zum ZUM und schaue erwartungsvoll jeden männlichen Tadschiken an, der an mir vorbeigeht (und das sind nicht wenige). Ein junger Mann steht lässig an ein Geländer gelehnt und schaut auf die andere Straßenseite. Ich wage zu bezweifeln, dass Suhrob große Schwierigkeiten haben wird mich zu erkennen. Es gibt zwar sehr viele internationale Hilfsorganisationen im Land, aber als Westeuropäer fällt man hier trotzdem auf und man wird meistens sehr neugierig angesehen (was für mich wirklich unheimlich erfreulich ist, weil ich das in Deutschland schon gar nicht mag). Suhrob und ich brauchen uns also keine Erkennungsblume ins Knopfloch zu stecken, aber mein Handy halte ich trotzdem griffbereit in der Hand.Schließlich trägt sich folgende, recht skurrile, Situation zu:

Der Mann am Geländer nimmt sein Telefon, wählt eine Nummer und just im selben Moment klingelt mein Handy. Ach man, super, das klappt ja toll! Ich gehe ran: „Suhrob! Salom! How are you? You wear blue Jeans and a black Shirt, don’t you?“ “Hello Petra, yes!” “Ah, great! I am standing right behind you, you just have to turn around!” „Ah, Petra, I don’t see you, where are you? I am at the ZUM!“ Yes, me too, why don’t you turn around, I am still behind you.” “Hm. I don’t see you, where are you?” “Well, I am at the main entrance of the ZUM. If you stopped looking at the buildings on the other side of the street and turned around you would see that I am right behind you!” Das Ganze geht noch ein zwei Mal so hin und her und ich verstehe nicht, warum der gute Mann weiterhin so verbohrt auf die andere Straßenseite guckt, wo wir doch ausgemacht haben, dass wir uns am ZUM treffen und er ja sogar auf der richtigen Straßenseite steht. Ich will schon auf den Mann zugehen, aber irgendwie kommen mir Zweifel und plötzlich sagt Suhrob „Ah, I can see you!“ Verwirrt drehe ich mich von meinem potentiellen Geldempfänger ab, der sich immer noch weigert in meine Richtung zu gucken, und wende meinen Blick auf die Eingangstür des ZUM, von wo aus mich gerade ein junger Tadschike ansieht. Erleichtert und mit einem erwartungsvollen Blick zeige ich fragend auf ihn. Er wiederum schaut mich überrascht an, sieht verunsichert nach links und rechts, als könne er nicht glauben, dass er da gerade von einer europäischen, scheinbar wildfremden Frau angesprochen wird. Auch das kann ich nicht so ganz verstehen, wir haben doch gerade eben miteinander telefoniert. Bevor auch diese Situation eskalieren kann höre ich von links jemanden meinen Namen rufen, ich drehe mich um und sehe einen lachenden Suhrob auf mich zu kommen. Nun, seine Hose ist weder eine Jeans und sein T-Shirt ist auch nicht schwarz sondern braun, aber was zählt das schon, ich habe ihn endlich gefunden und kann das Geld in die richtigen Hände abgeben.

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