Freitag, 20. April
Geldkurier
Ein Freund in Deutschland hat mich
gebeten für seinen Bruder in Tadschikistan ein bisschen Geld mitzunehmen. Der
Bruder will sich ein neues Auto kaufen, und sich als Fahrer sein Geld
verdienen. Dafür kann er den „Zuschuss“ aus Deutschland sehr gut gebrauchen.
Dummerweise spricht der Bruder kein
Englisch, aber irgendwie bekommen wir es am Telefon trotzdem ganz gut hin uns
zu verständigen und einen Treffpunkt auszumachen. Also gut, abends um 18 Uhr am
ZUM, einem ehemaligen sowjetischen Kaufhaus, das jeder in Tadschikistan kennt.
Hier kann man so ziemlich alles bekommen, aber es ist auch alles ziemlich teuer.
Das ZUM von außen. Das Foto ist von einem Kommilitone aus dem Jahr 2009, die Schrift oben existiert leider nicht mehr. |
Das ZUM von innen - auch dieses Foto ist von einem Kommilitonen aus dem Jahr 2009 |
Nachdem es sich bei dem „Zuschuss“ doch
um eine etwas größere Menge Geld handelt, versichere ich mich bei meinem Freund
in Deutschland noch einmal zurück, ob auch wirklich alles in Ordnung geht und
nach einigem hin und her stellt sich heraus, dass gar nicht der Bruder, sondern dessen Sohn (er spricht ein bisschen Englisch) kommen wird, um die „Ware“
entgegenzunehmen. Weil ich hier niemanden in Schwierigkeiten bringen und keine richtige
Namen nennen will, mag der Sohn für einen Blogeintrag lang Suhrob heißen.
Kurz vor sechs stehe ich dann am
Eingang zum ZUM und schaue erwartungsvoll jeden männlichen Tadschiken an, der
an mir vorbeigeht (und das sind nicht wenige). Ein junger Mann steht lässig an
ein Geländer gelehnt und schaut auf die andere Straßenseite. Ich wage zu
bezweifeln, dass Suhrob große Schwierigkeiten haben wird mich zu erkennen. Es
gibt zwar sehr viele internationale Hilfsorganisationen im Land, aber als
Westeuropäer fällt man hier trotzdem auf und man wird meistens sehr neugierig angesehen
(was für mich wirklich unheimlich erfreulich ist, weil ich das in Deutschland schon
gar nicht mag). Suhrob und ich brauchen uns also keine Erkennungsblume ins
Knopfloch zu stecken, aber mein Handy halte ich trotzdem griffbereit in der
Hand.Schließlich trägt sich folgende, recht skurrile, Situation zu:
Der Mann am Geländer nimmt sein
Telefon, wählt eine Nummer und just im selben Moment klingelt mein Handy. Ach
man, super, das klappt ja toll! Ich gehe ran: „Suhrob! Salom! How are you? You wear
blue Jeans and a black Shirt, don’t you?“ “Hello Petra, yes!” “Ah, great! I am standing right behind you, you just have to turn
around!” „Ah, Petra, I don’t see you, where are you? I am at the ZUM!“ Yes, me too, why don’t you
turn around, I am still behind you.” “Hm. I don’t see you, where are you?” “Well,
I am at the main entrance of the ZUM. If you stopped looking at the buildings on
the other side of the street and turned around you would see that I am right behind
you!” Das Ganze geht noch ein zwei Mal so hin und her und ich verstehe
nicht, warum der gute Mann weiterhin so verbohrt auf die andere Straßenseite
guckt, wo wir doch ausgemacht haben, dass wir uns am ZUM treffen und er ja
sogar auf der richtigen Straßenseite steht. Ich will schon auf den Mann zugehen,
aber irgendwie kommen mir Zweifel und plötzlich sagt Suhrob „Ah, I can see you!“
Verwirrt drehe ich mich von meinem potentiellen Geldempfänger ab, der sich
immer noch weigert in meine Richtung zu gucken, und wende meinen Blick auf die
Eingangstür des ZUM, von wo aus mich gerade ein junger Tadschike ansieht.
Erleichtert und mit einem erwartungsvollen Blick zeige ich fragend auf ihn. Er
wiederum schaut mich überrascht an, sieht verunsichert nach links und rechts,
als könne er nicht glauben, dass er da gerade von einer europäischen, scheinbar
wildfremden Frau angesprochen wird. Auch das kann ich nicht so ganz verstehen,
wir haben doch gerade eben miteinander telefoniert. Bevor auch diese Situation
eskalieren kann höre ich von links jemanden meinen Namen rufen, ich drehe mich
um und sehe einen lachenden Suhrob auf mich zu kommen. Nun, seine Hose ist
weder eine Jeans und sein T-Shirt ist auch nicht schwarz sondern braun, aber
was zählt das schon, ich habe ihn endlich gefunden und kann das Geld in die
richtigen Hände abgeben.
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