Samstag, 11. August 2012


Sonntag, 12. August

Deutschland, ich komme!!!


Morgen früh ist es endlich soweit, morgen früh darf ich nach Deutschland zurückfliegen. Um drei Uhr geht es zum Flughafen, um 5:40 startet der Flieger – Inschallah, Turkish Airlines scheint mir nicht die pünktlichste Fluggesellschaft zu sein – und um 18 Uhr werde ich wieder deutschen Boden betreten. Gott!! Ich klinge, als wäre ich fünf Jahre auf einer – fast – einsamen Insel verschollen gewesen, gekidnappt von einem Stamm von Wilden, bei dem ich mich vor dem sicheren Tod durch langsames Simmern als Suppenbeilage nur mittels abenteuerlicher Flucht à la Indiana Jones retten konnte.

Nichts desto trotz fühle ich mich tatsächlich ein bisschen so. Ich habe auch ein leichtes Déjà vu, denn ich kann mich leise daran erinnern, dass es mir und meiner Forschungshelferin vor unserer Abreise aus dem Dorf sehr ähnlich gegangen ist. Was haben wir uns kaputt gelacht bei der Vorstellung, wie wir uns am Morgen unserer Abreise gebärden: Der Wagen steht noch nicht richtig zum Beladen bereit, da rennen wir schon los, wild schreiend, mit verzerrten Gesichtern und uns gegenseitig mit den Ellbogen aus dem Weg schubsend, wie bei einem Kampf um einen Rugby-Ball, weil jede zuerst im Auto sitzen will. Den Rucksack vergessen? Egal, die Zivilisation ruft! Die Notebooktasche und den Schlafsack liegen gelassen? Was soll’s – Hauptsache, wir sitzen im Auto Richtung Stadt. Und dass wir dem Fahrer nicht noch eine Pistole an den Kopf halten und ihn bedrohen, damit er so schnell wie möglich los fährt, ist wirklich alles. Ich hoffe, ich kann mich morgen früh beherrschen, damit mich meine Familie in guter Erinnerung behält und ich nächstes Jahr wiederkommen darf. 

Es ist gar nicht, dass ich Tadschikistan so schrecklich finde. Ich bin sehr gerne hier. Wenn ich nach Deutschland zurückkomme, werde ich ganz sicher vieles vermissen: die Leute, die ich hier kenne, meine Familie, bei der immer etwas los ist und die irgendwie immer aufgeregt über den Hof hin- und herläuft. Das leckere Essen. Das frischgebackene Fladenbrot. Die Sicherheit, dass spätestens ab Juni jeden Morgen beim Aufstehen die Sonne scheint und man in seine leichten Sommerklamotten springen kann, ohne über das Wetter nachzudenken. Meine samstäglichen Besuche im Morning Star Café (ja, ich gebe es ja zu, ich war regelmäßig im „Ausländercafé“). Den Zug, den man jeden Abend in der Ferne pfeifen (oder besser gesagt hupen) hört, ein ganz eigener Klang. Die Jungs, die einem auf der Straße nicht selten ein „Hello“ entgegenschmettern, als wäre es eine Art Balzruf (die Wagemutigeren unter ihnen setzen sogar noch ein „What’s up?“ hinzu). Die Mahalla, in der ich wohne. Auf dem Basar einkaufen zu gehen. Die Stimmung in Dushanbe. Und, und, und, und…

Zwei Dinge werde ich allerdings ganz sicher nicht vermissen: Viele tadschikische Männer essen Kautaback und spucken deswegen überall hin, egal wo sie gehen und stehen, so als wären sie irgendwie undicht. Klingt ekelig? Ist es auch! Und dann sind da noch die Fliegen in meinem Zimmer, die so unglaublich aufdringlich sind, dass ich mich wie eine Kuh auf der Weide fühle, nur leider ohne den praktischen Schwanz, der die lästigen Dinger vertreiben kann, während man selber am Tisch sitzt und isst oder am Computer arbeitet. Es ist nicht so wie in Deutschland, dass da vielleicht ein oder zwei Fliegen über den Tisch summen und sich mal hier und da auf dem Essen niederlassen. Nein, diese Dinger fliegen aufgeregt um mich herum, fallen im Sturzflug meine Ohren oder Nasenlöcher an (Menno, warum denn nur?), manchmal auch meinen Mund, obwohl ich mich nicht einmal sonderlich still verhalte, sondern am Computer sitze und arbeite. Wie? Ja, natürlich habe ich es mit einem Fliegenfänger versucht. Aber abgesehen davon, dass ich selber gefühlte hundert Mal daran kleben geblieben bin, hat er nicht wirklich geholfen. Ja, klar, am Morgen hing dort zwar immer etwa vier oder fünf Fliegen fest, aber spätestens am Mittag waren doch wieder so zehn Stück in meinem Zimmer, und das ganze Spiel ging von vorne los.

So, bevor ich nun wirklich von hier weggehe, noch ein Foto zum Abschied von einem romantischen Sonnenuntergang über Dushanbe. Ich hoffe, dass euch der Blog gefallen hat und dass ihr Tadschikistan jetzt ein bisschen besser kennt, als noch vor vier Monaten. Und, wer weiß? Vielleicht folgt ja eine Fortsetzung, wenn ich nächstes Jahr im April wieder hierher komme. Denn es gäbe noch so viel zu erzählen! 

Abendsonne über Dushanbe

Freitag, 10. August 2012


Samstag, 11. August

Was eigentlich einmal gesagt werden müsste…


Am Sonntag, den 22. Juli sind in Khorog, der Hauptstadt der östlichen Provinz Tadschikistans, staatliche Truppen eingerückt und in den darauffolgenden zwei Tagen gab es Schusswechsel zwischen Rebellen und den Militärs. Will man den westlichen Medien glauben, wo man über diese Vorfälle nur lesen konnte, wenn man im Internet gezielt nach Tadschikistan gesucht hat, dann ging es natürlich um islamistische Untergrundkämpfer, die in Tadschikistan die Macht an sich reißen wollen und die Nähe zu Afghanistan durfte selbstverständlich auch nicht unerwähnt bleiben. Aber so einfach verhält sich die ganze Sache leider nicht und noch weniger einfach lässt sie sich in dieses beliebte, vorgefertigte Schema pressen. 

Seit dem 22. Juli sind nun über zwei Wochen vergangen, in denen ich mir oft überlegt habe, ob ich über die Vorfälle im Pamir schreiben soll oder nicht. Das ist aber gar nicht so leicht, denn zum einen ist die Verbindung nach Khorog unterbrochen, Festnetztelefone funktionieren zwar meistens wieder, aber die Verbindung zu den Mobilfunktelefonen ist immer noch gekappt, die Informationen fließen spärlich. Aus den Zeitungen erfährt man leider wenig, denn die wichtigsten Internetseiten sind blockiert, darunter auch YouTube und eine relativ staatlich unabhängige Zeitung. Dazu sind alle Mitarbeiter der ausländischen Hilfsorganisationen aus Khorog evakuiert worden und somit steht auch diese Informationsquelle nicht mehr zur Verfügung. Zum anderen ist die Situation sehr komplex und schwierig darzustellen. Ich könnte jetzt sagen, dass das der Hauptgrund dafür ist, warum ich vor dem Schreiben zurückschrecke, aber es ist auch so, dass ich nächstes Jahr sehr gerne wieder hierher zurückkommen möchte …

Tadschikistan ist nach der Unabhängigkeit von der Sowjetunion im Jahr 1991 in einen Bürgerkrieg versunken, der in den Medien gerne als ein Kampf zwischen Kommunisten und Islamisten dargestellt wurde. Allerdings stimmt das nicht. Die tadschikische Gesellschaft funktioniert ganz anders als unsere, sie besteht aus Familienclans, und so war der Krieg vielmehr ein Konflikt regionaler Gruppen, in dem es nicht zuletzt auch um den Zugang zu Ressourcen ging. Ganz einfach gesagt hatte sich der Norden mit dem Süden gegen einen Teil der Bewohner in Zentraltadschikistan und der Region Gorno Badachschan (die einen Großteil des Hochgebirges Pamir bedeckt) verbunden. Während der Kämpfe wurde auch ganz gezielt gegen die ethnische Minderheit der Pamiris (also den Bewohnern von Gorno Badachschan) vorgegangen. 1997 endete der Bürgerkrieg, der neue Präsident (Emomali Rahmon) kam aus dem Süden, die Opposition (verschiedene Parteien, unter anderem die Islamische Partei der Wiedergeburt, die NICHT islamistisch, sondern moderat ist) sollte mit 30 % Beteiligung in die Regierung eingebunden werden. Die Kämpfe haben mehr als 100.000 Todesopfer gefordert, aber selbst solche erschreckenden Zahlen können die Gräuel eines Krieges nicht beschreiben.  Eine Schnell-Zusammenfassung wie diese hier kann wirklich nur einen ersten groben Überblick bieten. 

Seit 1997 kann der Präsident seine Macht im Land halten, das Verhältnis zwischen ihm und seinen Kontrahenten ist ... angespannt. Im Februar nächsten Jahres sind Wahlen, was vielleicht eine Erklärung für die Aktion im Pamir sein könnte. Gorno Badachschan hatte nach dem Krieg seinen Wunsch durchsetzen können, eine autonom regierte Region zu werden, eine Tatsache, die bei der Regierung wohl bis heute immer noch Vorbehalte auslöst. Der Pamir ist ein unwegsames Gebiet und schwer zu kontrollieren. Außerdem verläuft durch den Pamir die Hauptroute für Drogen und andere Schmugglerwaren von Afghanistan nach Russland und Europa. Nicht zuletzt dadurch sind die dortigen ehemaligen Kriegsherren und Oppositionellen wieder stärker und einflussreicher geworden. Grundsätzlich sind die Pamiris aber ein sehr friedliches Volk, die sich mit den nördlichen Afghanen sehr gut verstehen (zur Erklärung: die tadschikisch-pamirische Grenze verläuft über eine lange Strecke an Afghanistan entlang, auf der afghanischen Seite leben auch sehr viele Tadschiken, oft sogar Verwandte der Pamiris auf der tadschikischen Seite). Die meisten werden jetzt wahrscheinlich sofort an al-Qaida und dergleichen denken, aber islamistische Extremisten sind bei den Tadschiken nicht sehr beliebt, weder die Taliban noch die Salafiten. Viele Tadschiken sehen sich als Muslime an, aber nur die allerwenigsten wollen einen muslimischen Staat, die meisten sind mit der Demokratie vollauf zufrieden. Natürlich gibt es auch hier Extremisten (wo gibt es die nicht?), aber sie spielen bei weitem (!!) nicht so eine bedeutenden Rolle, wie in anderen islamischen Staaten.

Am Samstag, den 21. Juli war der regionale Leiter des KGB (oder besser gesagt  von deren Nachfolgeorganisation) im Pamir nach einem Streit mit einem Offizier etwas außerhalb von Khorog getötet worden. Am Sonntag waren mehrere hundert (andere Quellen sprechen von über 2000) Soldaten in Khorog einmarschiert, um die vier Männer, die an dem Mord beteiligt gewesen sein sollen, zu ergreifen und gegen diejenigen mit Waffengewalt vorzugehen, die sich deren Häusern näherten. Nach Protesten durch die Bevölkerung und Rebellen kam es zu Schusswechseln. Die Stadtteile, in denen die gesuchten Männer gewohnt haben, wurde von Hubschraubern aus mit Raketen beschossen. Offiziellen Angaben zufolge sind in etwa 60 Menschen bei dem Einsatz gestorben, anderen Angaben zufolge über 200, darunter viele Zivilisten. In den Bergen um Khorog waren unzählige Scharfschützen positioniert. In manchen Zeitungen stand, dass sie auch auf Menschen geschossen haben, nur weil sie in ihren Garten gegangen sind.  

Zwar haben die Rebellen und die Regierung sich nach offiziellen Angaben inzwischen geeinigt, der Präsident verspricht jedem, der sich freiwillig meldet und seine Waffen abgibt, Straffreiheit, bis auf die vier gesuchten Männer, aber letzten Samstag waren die Scharfschützen scheinbar immer noch in den Bergen positioniert, die Mobiltelefone funktionieren weiterhin nicht, das Internet nur sporadisch, die Blockade von YouTube & Co ist noch nicht aufgehoben und seit über einer Woche hört man überhaupt nichts Neues mehr. Wie es scheint, hat sich die Lage wieder beruhigt, wirklich stabil ist sie aber wohl noch nicht. Ausländer dürfen zurzeit nicht mehr nach Gorno Badachschan. Warum nur?

Was soll ich sagen? Da sitzt man zu Hause in Deutschland und hört immer von Krieg und Kämpfen in den Ländern „irgendwo da unten“, sei es nun zum Beispiel Afghanistan oder Pakistan. Jetzt ist es Tadschikistan, und plötzlich kennt man dort Menschen, hat Freunde und Bekannte, hat die Kultur und das Land kennengelernt, lustige und spannende Dinge erlebt, ist durch die Straßen gelaufen, war Einkaufen, war zu Gast bei Leuten, hat an deren Alltag teilgenommen... Ich hoffe sehr, dass die Situation in Khorog nicht noch einmal eskaliert oder gar auf den Westen des Landes übergreift. Momentan ist die Lage allerdings sehr schwer einzuschätzen. Es heißt immer, dass die Menschen in Tadschikistan keinen Krieg mehr wollen, weil ihnen die Erinnerungen an den letzten noch tief in den Knochen sitzen. Aber seit wann wird ein Krieg von den Vielen gemacht? 

Wen die Einzelheiten über die aktuelle Lage wirklich interessieren, dem kann ich gerne versuchen Rede und Antwort zu stehen (ich bin in drei Tagen zurück), auch wenn ich natürlich kein ausgewiesener Experte bin. Und obwohl die meisten Online-Artikel, meiner Meinung nach, die aktuelle Lage oft zu wenig umfassend darstellen, hier ein paar Seiten zum Nachlesen:

Asia Plus (www.asiaplus.tj), EurasiaNet.org (http://www.eurasianet.org/), Radio Free Europe/Radio Liberty (http://www.rferl.org/), RIA Novosti, deutsch (http://de.rian.ru/)
Die Suchbegriffe in den Zeitungen sind im Deutschen „Tadschikistan“ (logo, was sonst?), auf Englisch „Tajikistan“

In dem Blog Registan (http://registan.net/) und auf Qantara (http://de.qantara.de/) finden sich interessante Beiträge, auch auf der Seite Pamirs – the roof of the world (www.pamirs.org; in der rechten Spalte) und dem Blog Tethys (http://www.tethys.caoss.org/).

Und wer Russisch kann ist klar im Vorteil:

Mittwoch, 8. August 2012


Donnerstag, 09. August

Vermischtes


Es sind die kleine Dinge im Leben, die einen im Alltag erfreuen. Deswegen heute ein Sammelsurium von netten und lustigen Momentaufnahmen, die mir hier so über den Weg gelaufen sind, und die ich noch an dem Mann bringen wollte, bevor ich fahre. Inzwischen zähle ich schon meine letzten Tage. Ich bin hier wirklich sehr gerne und ich weiß, dass ich Tadschikistan sehr vermissen werde, wenn ich wieder in Deutschland bin. Aber ich musste mich am Schluss schwer beherrschen um nicht sogar einen Kalender zum Abstreichen für die verbleidenden Stunden zu machen. Mancher Leser mag vielleicht über mich lachen, aber wenn man das erste Mal für so lange Zeit von daheim weg ist, ohne in der Ferne ein eigenes zu Hause zu haben (ich möchte daran erinnern, dass ich in einer Familie lebe und die Türe hier nie so richtig zumachen kann), dann ist das schon eine Herausforderung. Die meisten Tadschiken wachsen in einem größeren Familienverband als bei uns auf, die Entwicklung und Entfaltung der eigenen Individualität ist hier lang nicht so ausgeprägt wie in der westlichen Gesellschaft. Alleinsein und die Tür zumachen gibt es hier nicht so sehr. Manchmal denken ich mir, dass die meisten Tadschiken, müssten sie bei uns leben - mit den geschlossenen Türen, dem vielen Auf sich gestellt sein und dem fehlenden Familienverband - einfach durchdrehen würden. 

Was mir auch aufgefallen ist, ist die Tatsache, dass die Menschen hier (und meiner Meinung nach vor allem die Frauen), viel mehr als im Westen, an eine bestimmte Rolle gebunden sind. Klar, Oma, Opa, Mama und Papa gibt es bei uns auch. Aber oft werden die Menschen hier nicht bei ihrem Namen gerufen, sondern nach der Rolle benannt, die sie in der Familie einnehmen: Tante, Onkel, älterer oder jüngerer Bruder (dafür gibt es zwei verschiedene Wörter), ältere oder jüngere Schwester (hierfür auch), Schwiegertochter, usw. Manchmal ruft meine Gastmutter die Frau von ihrem Sohn sogar auch einfach „Mutter von Mawsuna“ (das ist der Name ihrer ältesten Tochter – also von der Schwiegertochter, nicht von der Mutter ... hä?). Und wenn sich meine Familie über mich unterhält bin ich meist einfach der „mehmon“, der Gast – schade, denn es klingt immer sehr putzig, wenn sie meinen Namen zwischendurch dann doch einmal aussprechen :)

Ein typisch tadschikischer Süßigkeiten-Knabber-Teller
Wie süüüüüüüüß!!!
Haha! Was für die Tadschiken "Märchen" heißt, liest sich für uns wie "Mief" - ein etwas bedenklicher Name für ein Waschpulver. Ein anderes Waschmittel heißt barf, was auf Tadschikisch "Schnee" heißt und natürlich Hoffnung auf weiße Wäsche macht, im Englischen aber leider "erbrechen" bedeutet.
Sich aktiv am Umweltschutz zu beteiligen ist ja wirklich löblich, aber manche Leuchten sind einfach nicht für Energiesparlampen gemacht, oder?
Ein herrenloser Rasenmäher wartet auf Arbeit
Wuuaaaaaääääääähhh!!! Ich weiß nicht woher die Jungs in meiner Familie diese Maske hatten, aber als die kleine Maftuna mit hochgehobenen Armen, das Monster spielend, auf mich zugerannt kam, musste ich einfach nur lachen. Wie süß!
Spontanes Picknick im Park - nach dem Einkauf in einem Supermarkt gab es Brot mit Almette-Frischkäse, was zwar lecker, aber irgendwie auch seltsam war. Wer hier genug Geld hat, kann im Supermarkt relativ viele westliche Waren - zu westliche Preisen - kaufen, das Angebot reicht von amerikanischen über englische bis hin zu deutschen und vor allem russischen Produkten.
Skurrile Landschaft
Missionare gibt es hier in Tadschikistan einige, aber sie fallen nicht besonders auf, weil sie "ganz normal" gekleidet sind. Nonnen auf der Straße zu sehen ist allerdings wirklich eine Seltenheit.
Schuhe müssen draußen bleiben! Da sich das Leben in Tadschikistan hauptsächlich auf dem Boden abspielt werden die Schuhe immer an der Tür ausgezogen und die mit Teppich ausgelegten Räume nur mit Socken oder barfuß betreten
Gestern an der Kreuzung um die Ecke... - kleiner Nachtrag zur Gattung "gemeine Kanaldeckel"
Mamma? Duhuu? Die Farbe war so schön, da hab ich den Boden gleich mitgestrichen!
Auf der Ablage neben dem Brotbackofen. Naaa? Wer findet den Fehler im Bild? Ein kleiner Tipp: es sind nicht die getrockneten Kräuter auf dem blauen Tuch und es ist auch nicht die zusammengeknüllte Plastiktüte...
Beim Friseur an der Rudaki - scheinbar ist Ladi Di auch hier die Königin der Herzen
Auch eine Art der Straßensanierung: einfach mal drüber...
Phuuu! Zum Glück mussten wir zufälligerweise genau in den fünften und achten Stock!

Mittwoch, 08. August

Auf dem Basar


Die Einkaufskultur hier in Tadschikistan ist eine ganz andere als in Deutschland. Ja natürlich, auch hier gibt es Geschäfte, Supermärkte und viele kleine Kioske. Die Supermärkte und Kioske sind tatsächlich wie bei uns, nur mit einem etwas anderen Warenangebot natürlich. Aber die großen Kaufhäuser sind ganz anders. Da gibt es lauter kleine Abteile, in denen jeder Verkäufer seine Waren anbietet. Ein Foto vom ZUM habe ich schon in einem anderen Blogbeitrag gezeigt.  

Kleine Geschäfte und Kioske wie diese hier gibt es in Dushanbe zuhauf
Auch solche Container-Kioske findet man immer wieder am Straßenrand. Hier kann man DVDs kaufen
Warum ein ehemaliges Kassenhäuschen leer stehen lassen, wenn man ihn auch als Mini-Verkauf nutzen kann?
Auch solche Lebensmittelstände findet man regelmäßig. Die Frau, die bei dem gelben Fass sitzt und wartet, verkauft übrigens Kwas, ein Brottrunk, der hier im recht beliebt ist. Manche bieten auch Kompott an, eine Art Fruchtsaftgetränk mit viel Zucker und ein paar Fruchtstückchen. Diese Verkäufer gibt es übrigens nur in den heißen Sommermonaten, damit sich die Leute auf ihrem Weg ein bisschen erfrischen können.
Ein kleines Einkaufzentrum entwas außerhalb der Stadtmitte
Auch das ist tadschikischer Verkaufsalltag: eine Frau bietet auf einem Tisch ihre kleine Warenauswahl an
Morgens um acht: ein geschlossener Straßenverkauf. Hier gibt es normalerweise Eis und andere kleine Snacks

Und während es bei uns in jedem Stadtviertel nur noch ein oder zwei Mal die Woche einen Markt gibt, ist der Basar hier die wichtigste und günstigste Einkaufsmöglichkeit für die Menschen. Am Wochenende sind die Preise tatsächlich teurer, weil da die meisten Leute Zeit zum Einkaufen haben. Auch jetzt, da Ramadan ist, nutzen die Verkäufer ihre Chance und verlangen höhere Preise. Wenn man als Ausländer alleine auf den Basar geht, wird man auch gerne „übers Ohr gehauen“. Da muss man schon zu mehreren Verkäufer gehe und nach dem Preis fragen, um ein realistisches Angebot zu bekommen.

In Dushanbe gibt es mehrere Basare, einer liegt recht zentral, der „Grüne Basar“ – der eigentlich Shohmansur heißt, aber von niemandem so genannt wird – und bis vor zwei Jahren gab es auch noch einen zweiten, kleinen Gemüse-Basar (den Barakat), der aber dem neuen Bebauungsplan für das Stadtzentrum zum Opfer gefallen ist. Sehr schade!

Der Eingang zum Grünen Basar - in einem relativ ruhigen Moment. Normalerweise wimmelt es hier von Leuten
Neben ein paar Haushaltswaren und einer großen Abteilung mit Stoffen (die Tadschikinnen kaufen sich ihre Kurtas selten von der Stange, sondern nähen sie selber oder lassen sie nähen), gibt es hier vor allem Essen, Essen und nochmals Essen.
Petras Paradies! Bonbons, so weit das Auge reicht ...
... und Nüsschen für den typisch tadschikischen Süßigkeiten-Knabberteller, der an keinem Dastarchan fehlen darf. Besonders lecker sind die Erdnüsse mit weißer Zuckerschicht oder mit einem Honig-Sesam-Mantel (links neben den getrockneten Aprikosen) - KÖSTLICH!!!
Dann gibt es noch Berge von Gewürzen ...
... unglaublich viel leckeres Obst ...
... Gebirge von Wassermelonen ...
... und kunstvoll gestaplete ... äh ... ja, was eigentlich? Zitrangen? Oritronen? Egal - schmechen tun sie auf jeden Fall echt lecker!
Hier ist die Getreide- und Nudelabteilung. Mehl kann man in großen Säcken kaufen, was ja aber auch nötig ist, weil die Tadschiken Brot lieben und sehr viel davon essen.
In der Quark-Milch-Abteilung scheint man gerade etwas unterbeschäftigt...
...während in der Kleingeschnittene-Karotten-für-den-Plov-Abteilung fleißig gearbeitet wird. Nicht alle Tadschikinnen scheinen Lust darauf zu haben, die Mörchen für das Nationalgericht selber klein zu schneiden. Wie vorteilhaft, dass man sie schon kochfertig kaufen kann.
Und dann gibt es schließlich auch noch die Brotabteilung. Nicht alle Tadschikinnen können oder wollen Brot selber backen. Aber ganz ehrlich: während das selbergemachte Fladenbrot nach zwei, drei Tagen noch einigermaßen frisch ist, wird das gekaufte Brot nach einem Tag schon alt und trocken.
"Kleinanbieter" ohne festen Marktstand findet man überall auf dem Basar, wie diesen Jungen hier, der einen alten Kinderwagen in einen Brotverkauf umgewandelt hat
Auch das ist ein alltägliches Bild auf dem Grünen Basar: wenn man wirklich viel zu kaufen hat, kann man sich so einen Jungen "mieten" und er kommt mit einem über den Basar, während das Wägelchen immer voller wird
Auch um den Basar herum stehen viele private Kleinanbieter und verkaufen Selbergebackenes oder Obst und Gemüse aus dem Garten
Wei praktisch! Ein Douglas auf Rädern...

Weiter außerhalb gibt es natürlich noch andere Basare, besonders erwähnenswert ist hier der Korwon (ja, das heißt übersetzt tatsächlich Karawane, denn durch Zentralasien ist früher eine Route der Seidenstraße verlaufen und ein Karawanserei war ein Ort, wo die Verkäufer mit ihren Karawanen Pause machen und ihre Waren zum Handeln anbieten konnten). Der Korwon liegt am südlichen Rand von Dushanbe und hier gibt es alles, was man so fürs Leben braucht: Kleidung, Schuhe, Schmuck, Haushaltswaren, Bilder, Nähzeug, Kitsch, und und und… Am besten geht man dort unter der Woche hin, denn am Wochenende ist dort so viel los, dass man es in den engen, heißen Verkaufsgassen mit den vielen Leuten wahrscheinlich nicht sehr lange aushalten würde.

Der Eingang zum Korwon ...
... und eine typische Verkaufsstraße. Die Stände sind in einer großen Halle untergebracht und wenn hier sehr viele Leute sind und die Sonne kräftig scheint wird es ganz schön heiß.
Kaufen kann man hier wirklich fast alles. Von Klamotten und Schuhen über Haushaltswaren bis hin zu ...
... Nähemaschinen. Und wer keine Lust hat, seinen Kleidung selber zu nähen oder zu ändern ...
... geht einfach eben mal schnell zu einer der vielen Näherinnen, die dort sitzen und auf Arbeit warten.

Dienstag, 7. August 2012


Montag, 06.August

Tadschikische Architekturstilleben II


Erst einmal muss ich mich dafür entschuldigen, dass der letzte Blogbeitrag so lange Zeit zurück liegt. Aber die Arbeit hat mich ziemlich in Beschlag genommen und nun bin ich auch noch krank. Ja, in meiner letzten Woche hier hat es mich doch tatsächlich noch erwischt, ein Gemisch aus Grippe und Magen-Darm und so sitze ich gerade am Computer und versuche mich  auf dem Stuhl zu halten während ich den Blogbeitrag schreibe (oh man, klingt ganz schön dramatisch, was?). 

Anlass für die „Tadschikischen Architekturstilleben II“ ist der drohende Abriss eines Teiles der Mahalla (Nachbarschaft), in der ich lebe und die ich sehr gerne mag (und natürlich die Tatsache, dass es schon einen Blog-Beitrag „Tadschikische Architekturstilleben I“ gibt). Vergangene Woche bin ich zu den Bewohnern gegangen, habe ihnen ein paar Fragen gestellt und Fotos von ihren Hinterhöfen gemacht. Die typische Mahalla besteht aus vielen kleinen Höfen, in denen jeweils meist mehrere einstöckigen Häuschen mit ein bis drei Räumen (meist Durchgangszimmer) stehen, eines neben das andere gebaut, die aber nicht miteinander verbunden sind, und deren Türen alle zum Hinterhof hinausgehen. Wenn man durch so eine Mahalla läuft, dann sieht man vor allem hohe Mauern und alle paar Meter ein Tor. Abends sitzen die Leute zwar schon auch mal vor ihren Höfen auf den Wegen und unterhalten sich, aber der Schwerpunkt ihres Lebens spielt sich in der Familie in den Höfen selber ab. 

Zwei typische kleine Straßen in einer Mahalla.
Auch wenn man am Anfang denkt, man würde den Hof von seiner Familie nie wiederfinden ist doch jedes Tor anders.

Vielen dieser Mahallas im Zentrum Dushanbes droht nun der Abriss, einige sind bereits dem Erdboden gleich gemacht worden. Grund dafür ist, dass an den beiden Hauptmagistralen (dem Rudaki- und dem Ajini-Prospekt, der zum Flughafen führt) Neubauten entstehen sollen um das Stadtbild „aufzuwerten“, und zwar weniger zum Nutzen der Bewohner selber, sondern scheinbar, um den Präsidenten, seine Mitarbeiter und seine Gäste auf der Fahrt zu den wichtigsten Einrichtungen und zum Flughafen mit dem beeindruckenden Anblick repräsentativer Gebäude zu erfreuen. Aber nicht nur Mahallas sollen dafür abgerissen werden sondern auch kleinere Geschäftsgebäude und Architekturdenkmäler wie die Hauptpost und das Kohi Dschomi (das Kino in dem ich schon zwei denkwürdige Konzerte erlebt habe). An deren Stelle sollen „multifunktionale Wohnhäuser“ mit Einkaufszentren und Büros in den unteren Etagen erbaut werden. 

Eines der neuen Wahrzeichen der Stadt: die "Twin-Towers" (kein Witz, die werden hier wirklich so genannt!)
Alt trifft Neu: das Einkaufs- und Wohnzentrum "Pojtacht" spiegelt sich in dem Fenster eines alten Gebäudes

Allerdings ist das Versorgungsnetz der Stadt nicht dafür gemacht, sehr viel mehr Haushalte als heute zu beliefern, Strom- und Wasserausfällte sind bereits jetzt alltäglich. Ein weit größeres Problem sind aber die weichen und instabilen Böden im Zentrum von Dushanbe. Im Falle eines größeren Erdbebens besteht die Gefahr, dass der Boden absinkt und mit den Hochhäusern wären sehr viel mehr Opfer zu beklagen, als bei den relativ stabilen einstöckigen Lehmbauten. Außerdem gibt es durch die neuen Hochhäuser ein Überangebot an sehr teuren Wohnungen, die sich viele Tadschiken gar nicht leisten können. Die aus den Mahallas umgesiedelten Familien sollen zwar eine angemessene Entschädigung oder eine Ersatzwohnung bekommen, meist erhalten sie aber nur ein Grundstück in den entlegeneren Bezirken der Hauptstadt, und das auch noch ohne Haus. Es ist fast unmöglich für sie, sich gegen die Ansprüche des Staates zu wehren. 

Hier noch ein paar Architekturstilleben aus meinen Streifzügen durch die Stadt:

Sowjetarchitektur at it's best ...
... manche Gebäude sind wirklich ein wenig trostlos!
Manche haben aber ihren ganz eigenen Charme - dieses hier zum Beispiel ist in Jeans gehalten ...
... und den kitschigen Zuckerbäckerstil kann man in ungeahnte Extreme treiben!
Dafür werden Nahaufnahmen von trister Bauweise ...
... zumal im richtigen Licht gmeacht, zu Fotos mit interessanten Musterungen.
Hier die Balkone des Awesto-Hotels in der Rudaki
Sehr beliebt an den ein- bis zweistöckigen Häusern ...
... sind Erker und man findet sie ...
... in allen Formen und Ausführungen in der ganzen Stadt.
Hier ein schönes Mosaik an dem Aufgang zu einem Theater
Ob man die Farbe des Automaten wohl passend zum Ladenschild dahinter ausgewählt hat?
Wie zu Omis Zeiten. Fenster wie dieses gibt es auch sehr viele in der Stadt
Phu! Grün sticht Grün...
Okay! Wenn der Baum nicht weggehen will, dann bauen wir unser Haus eben einfach außenrum! So!
P.S.: Heute habe ich übrigens das letzte Mal Wäsche gewaschen, bevor ich am Montag wieder nach Hause fliege :)

P.P.S.: Die meisten Informationen zu diesem Blogbeitrag sind aus dem Artikel „Abriss Dushanbe“ von Wladimir Sgibnev in dem Blog Tethys: Central Asia Everyday -  http://www.tethys.caoss.org/index.php/2012/02/28/abriss-duschanbe/