Samstag, 05. Mai und Sonntag, 06.
Mai
Eine weitere Konferenz
Am Mittwoch bin ich für das
Wochenende zu einer Konferenz des Deutschen Akademischen Austauschdienstes
eingeladen worden. Diese Veranstaltung ist für ehemalige Stipendiaten,
tadschikische Studenten, die einige Zeit in Deutschland verbracht haben. Es sind
aber auch Professoren und andere wichtige Wissenschaftler dabei, die Vorträge
halten. Auch ich soll mein Projekt kurz vorstellen Die Konferenz ist nicht in Dushanbe, sondern
in Varzob, das etwa eine halbe Stunde mit dem Auto nördlich der Hauptstadt liegt.
Um 10 Uhr geht es, nach einer ganzen Weile grundlosen Wartens (so ist
Tadschikistan), los, in zwei kleinen Bussen, in denen die Teilnehmer dicht an
dicht gedrängt sitzen. Wir fahren über holprige Straßen und spielen das Spiel,
wer bei einem Schlagloch am höchsten hochgeworfen wird und es möglicherweise schafft,
mit dem Kopf an der Autodecke anzustoßen – naja, wir spielen das nicht
wirklich, aber so sieht es zumindest jedes Mal aus, wenn alle Mitfahrenden für
einen Moment aus ihren Sitzen gehoben und ziemlich heftig durchgerüttelt werden.
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Für unsere Fahrt wurden extra 2 typische tadschikische Mini-Buse (Maschrudkas) angemietet |
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Sehr eigen, aber auch sehr schön, nicht? |
Der Tagungsort liegt wunderschön,
zwischen Bergen und an einem rauschenden Bach – wenn man für einen Moment die
„fremdartigen“ Details ausblendet fühlt man sich wie an einem Bergbach in den
Alpen.
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Hm, warum kann das hier wohl kein Bach in den bayerischen Alpen sein? |
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Auch das gibt es nicht am bayerischen Bergbach: ein Freiluftbett (Taptschan), auf dem man gemütlich sitzen und essen kann. |
Ich bin mit einer anderen deutschen
Studentin in einem Zimmer untergebracht. Die sanitären Einrichtungen sind ein
wenig spartanisch, aber dafür gibt es einen Swimmingpool, ein Kinderbecken,
einen Fußballplatz, einen Billardtisch und einen Open-Air-Fitnessbereich.
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Ein solcher Pool ... |
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... vor allem mit so einem hübschen Bodenmotiv ... |
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... und einem extra Kinderplanschbecken ist in Tadschikistan eher ein seltener Anblick. |
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Das gilt auch für den Fußballplatz ... |
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... einen Billardtisch ... |
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... und den - nunja - etws spartanisch eingerichteten Open-Air-Fitnessbereich. |
Die Tagung geht nach der Ankunft auch
schon bald los, jeder bekommt die klassische Tagungsgeschenktüte, und weil ja
der DAAD das Ganze veranstaltet, wird auf der Tüte für ein Studium in
Deutschland geworben: „Study in Germany – land of ideas“ … Hää? Land der Ideen?
… Aha, soso…
Zum Glück kenne ich schon ein paar
Leute von vor drei Jahren und, dass einige von ihnen sehr gut Deutsch sprechen
erleichtert die Sache für mich natürlich ungemein. Ein befreundeter tadschikischer
Wissenschaftler, der kein Deutsch, sondern nur Englisch kann, befürchtet, dass
er von den Vorträgen kein Wort verstehen wird, bis sich herausstellt, dass er
fein raus ist, weil alle Präsentationen auf Russisch und Tadschikisch gehalten
werden und ich deshalb diejenige bin, die fast nichts versteht. Immerhin kann
ich dadurch, dass ich zwei Tage lang Russisch höre, meine rudimentären Kenntnisse
ein wenig auffrischen. Und zum Glück übersetzen mir ein paar nette Leute zwischendurch
immer wieder die wichtigsten Informationen, denn Deutsch – das können
eigentlich alle Teilnehmer!
Die tadschikischen Dozenten tragen
recht ausladend und monoton vor. Unter einer halben Stunde vom Blatt oder den
mit Fließtext dicht vollgeschriebenen PowerPoint-Folien abzulesen geht nichts,
danach findet noch eine Diskussion von mindestens (!) einer viertel Stunde
statt.
Etwa alle eineinhalb Stunden gibt es
eine Pause und wir werden mit den klassischen tadschikischen Snacks versorgt: Sambusa (mit Fleisch gefüllte Teigtaschen)
und einer unglaublichen Vielfalt an Süßigkeiten wie Bonbons, Pralinen, Keksen
und Kuchen. Aber zum Glück gibt es auch Pistazien und Mandeln, die in der
Schale geröstet sind und einen ähnlichen Suchtfaktor wie Chips haben.
Zum Mittagessen gibt es Salat (zum
einen Rohkost, leider mit Mayonnaise, und zum anderen eine Platte mit Tomaten
und Gurkenscheiben, glücklicherweise ohne Mayonnaise), Schurbo (eine Suppe mit
Gemüse und Fleisch und vor allem vielen schwimmenden Fettaugen), weißes
Fladenbrot und danach auch noch Schaschlik (entweder mit Fleischbröckchen vom
Rind oder mit um den Spieß gewickeltem Hackfleisch vom Schaf). Als ich die
Spieße fotografieren will und sage, dass das für meine Freunde in Deutschland
sei, machen sich die tadschikischen Studenten lustig darüber, dass man so etwas
Alltägliches überhaupt herzeigen muss, so, als wären sie spektakuläre Wilde, und
sie fallen demonstrativ gierig über das Fleisch her :)
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Echter tadschikischer Schaschlik ... |
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... und die "wilde Horde". Diese Studenten waren sehr lustig und haben während der Vorträge öfters einmal herumgeblödelt und so ein wenig Leben in die manchmal etwas monotonen Vorträge gebracht. |
Nach dem Mittagessen halte ich
meinen kurzen Vortrag. Er wird heiß diskutiert, der Begriff Re-Islamisierung
(der tatsächlich etwas unglücklich gewählt ist) stößt auf viele Nachfragen, Emotionen
und Kritik und zeigt mir, dass es sich
beim Islam um ein Thema handelt, mit dem man sehr sensibel umgehen muss. Zum
Abendessen gibt es neben social networking viel Obst (ich stürze mich darauf,
denn bei meiner Familie ist ja frisches Obst und Gemüse immer noch sehr rar) und
zum Nachtisch die klassische tadschikische Tort (das fehlende e ist kein
Flüchtigkeitstippfehler, das heißt hier wirklich so). Für dieses Mal werfe ich
meine Buttercreme-Verdauungsproblem-Bedenken über Bord und genehmige mir auch
ein Stück.
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Gestapeltes Obst und typischer tadschikischer Tomaten-Gurken-Zwiebelsalat mit frischen Kräutern. Das Weiße ist Tschakka, ein sauer vergorener Joghurt, der hier sehr beliebt ist und zu ganz vielen Gerichten gegessen wird. |
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Und zum Nachtisch gab es gleich ... |
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... zwei verschiedene Sorten Tort!! |
Begegnung der anderen Art am und auf dem Klo
Als ich vor dem Abendessen mit
meiner Zimmergenossin noch auf die Toilette gehe, passiert folgendes Absurdes:
sie schaut nicht richtig auf die beiden Toilettentüren und geht auf die
Männertoilette. Im selben Moment kommen zwei Männer und einer von ihnen geht,
ohne weiter zu überlegen, auf die Frauentoilette. Sein wartender Kumpel schaut mich
interessiert an, was mich ziemlich nervt, und ich zeige, um ihn abzulenken, auf
die Toilettenschilder. Es vergeht in etwa eine Minuten, bis er schließlich auch
auf die Schilder zeigt, und anfängt unkontrolliert zu kichern, ohne jedoch ein
Wort herauszubekommen. Kaum hat er sich beruhigt, zeigt er wieder auf die
Schilder, ergießt sich in einem neuen Anfall wilden Gegackers, ruft seinen
Freund herbei, der ja aber leider auf dem Örtchen ist, bis er sich schließlich
gar nicht mehr einkriegt und sich mit heftigem Gewieher und nach Luft japsend
auf eine Bank setzen muss. Ich bete, dass meine Zimmergenossin doch bitte
schnell aus der Toilette kommen möge, um mich von diesem schrägen Vogel zu
erlösen. Nach einer gefühlten Stunde ist sie schließlich endlich fertig und wir
können uns aus den Fängen dieser beiden – wie sich schließlich herausstellt
sternhagelvollen – Herren befreien. Ich muss mir eine andere Toilette suchen.
Tadschikische Toiletten sind ein wenig
eigen. In modernen Wohnungen und Häusern gibt es natürlich ganz normale
Toilettenschüsseln wie bei uns. Aber sehr viele Tadschiken haben ein Plumpsklo,
das nichts weiter ist als ein Spalt im Boden, in den man mehr oder weniger gut
zielen muss. Auch in Cafés oder in öffentlichen Gebäuden gibt es diese
Variante, allerdings dann natürlich mit Spülung und aus Keramik. Auf jeder
Seite der eigentlichen Toilette gibt es eine geriffelte Fläche, damit man auch
genau weiß, wo man seine Füße in Position bringen soll. Meistens ist es auf dem
Boden dieser Toiletten ein wenig ekelig, also krempel ich immer erst meine
Hosen hoch und versuche mit den Händen irgendwo einen Halt zu finden, damit ich
nicht umkippe und mich schließlich auf dem Boden abstützen muss. Die von mir
auf der Flucht vor den betrunkenen Herren gewählte Toilette ist eine einfache
Variante, eine Mischung aus Plumps- und Kermikstehklo. Der einzige Halt an diesem Örtchen ist der Toilettenpapierhalter, und während ich noch
„beschäftigt“ bin, reißt dieses Ding leider aus der Wand, und ich versuche, mich
krampfhaft daran festklammernd, irgendwo einen sicheren und vor allem „sauberen“
Halt zu finden. Manchmal ist mir hier einfach alles viel zu schräg und vor mich
hin lachend verlasse ich, noch ein bisschen unter Schock, aber endlich
„erleichtert“, das stille Örtchen.
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Tja, der sicher Halt liegt leider am Boden (sorry, das Bändchen vom meiner Kamera hat sich einfach mit ins Bild geschlichen). |
„Der Bach, der alle Gedanken mit
sich nimmt“
Neben dem Tagungsraum fließt, wie
schon gesagt, ein Bach. Es ist ein sehr wilder und sehr lauter Bach. Nach dem
Abendessen ist es schon dunkel, aber der Vollmond scheint und sich einfach nur
an den Bach zu setzen und ihm zuzuhören ist wunderschön. Nur scheint man bei
dem „Lärm“ keinen klaren Gedanken fassen zu können. Es ist, als ob der Bach
alles, was man im Kopf hat, in seinen „Fluten“ mit sich reißen würde. Das ist
allerdings kein bisschen schlimm, denn nach einem Tag voller langer Vorträge tut
diese Leere im Kopf sehr gut. Am liebsten würde ich hier gar nicht mehr
weggehen, aber langsam wird es ganz schön kalt und ich bin ziemlich müde. Wenn
wir hier wegfahren, werden ich ihn auf jeden Fall sehr vermissen, den Bach, der
alle Gedanken mit sich nimmt!
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Da ist er!!! |
Morgens setzte ich mich noch einmal
ein bisschen auf einen Taptschan und lausche dem Bach,
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In der Morgensonne |
dann gibt es Frühstück,
Quark mit Schmand. Irgendwie seltsam, aber es schmeckt ganz gut.
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Quark mit Schmand esse ich hier in Tadschikistan das allererste Mal. Auch auf dem Foto zu sehen: die beliebten Plastik-Schutz-Tischdecken. |
Nach weiteren
Vorträgen, dem Mittagessen und einem obligatorischen Gruppenfoto geht es am
Nachmittag wieder Richtung Dushanbe. Als ich zu meiner Familie komme, herrscht
der alltägliche Trubel. Zum Abendessen gibt es eine köstliche, einfache Suppe
und als wir am Tisch sitzen und alle wild durcheinander reden fühle ich mich
tatsächlich ein bisschen wie zu Hause.
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