Montag, 7. Mai 2012


Samstag, 05. Mai und Sonntag, 06. Mai

Eine weitere Konferenz


Am Mittwoch bin ich für das Wochenende zu einer Konferenz des Deutschen Akademischen Austauschdienstes eingeladen worden. Diese Veranstaltung ist für ehemalige Stipendiaten, tadschikische Studenten, die einige Zeit in Deutschland verbracht haben. Es sind aber auch Professoren und andere wichtige Wissenschaftler dabei, die Vorträge halten. Auch ich soll mein Projekt kurz vorstellen  Die Konferenz ist nicht in Dushanbe, sondern in Varzob, das etwa eine halbe Stunde mit dem Auto nördlich der Hauptstadt liegt. Um 10 Uhr geht es, nach einer ganzen Weile grundlosen Wartens (so ist Tadschikistan), los, in zwei kleinen Bussen, in denen die Teilnehmer dicht an dicht gedrängt sitzen. Wir fahren über holprige Straßen und spielen das Spiel, wer bei einem Schlagloch am höchsten hochgeworfen wird und es möglicherweise schafft, mit dem Kopf an der Autodecke anzustoßen – naja, wir spielen das nicht wirklich, aber so sieht es zumindest jedes Mal aus, wenn alle Mitfahrenden für einen Moment aus ihren Sitzen gehoben und ziemlich heftig durchgerüttelt werden. 

Für unsere Fahrt wurden extra 2 typische tadschikische Mini-Buse (Maschrudkas) angemietet
Sehr eigen, aber auch sehr schön, nicht?

Der Tagungsort liegt wunderschön, zwischen Bergen und an einem rauschenden Bach – wenn man für einen Moment die „fremdartigen“ Details ausblendet fühlt man sich wie an einem Bergbach in den Alpen.

Hm, warum kann das hier wohl kein Bach in den bayerischen Alpen sein?
Auch das gibt es nicht am bayerischen Bergbach: ein Freiluftbett (Taptschan), auf dem man gemütlich sitzen und essen kann.

Ich bin mit einer anderen deutschen Studentin in einem Zimmer untergebracht. Die sanitären Einrichtungen sind ein wenig spartanisch, aber dafür gibt es einen Swimmingpool, ein Kinderbecken, einen Fußballplatz, einen Billardtisch und einen Open-Air-Fitnessbereich. 

Ein solcher Pool ...
... vor allem mit so einem hübschen Bodenmotiv ...
... und einem extra Kinderplanschbecken ist in Tadschikistan eher ein seltener Anblick.
Das gilt auch für den Fußballplatz ...
... einen Billardtisch ...
... und den - nunja - etws spartanisch eingerichteten Open-Air-Fitnessbereich.

Die Tagung geht nach der Ankunft auch schon bald los, jeder bekommt die klassische Tagungsgeschenktüte, und weil ja der DAAD das Ganze veranstaltet, wird auf der Tüte für ein Studium in Deutschland geworben: „Study in Germany – land of ideas“ … Hää? Land der Ideen? … Aha, soso…

Zum Glück kenne ich schon ein paar Leute von vor drei Jahren und, dass einige von ihnen sehr gut Deutsch sprechen erleichtert die Sache für mich natürlich ungemein. Ein befreundeter tadschikischer Wissenschaftler, der kein Deutsch, sondern nur Englisch kann, befürchtet, dass er von den Vorträgen kein Wort verstehen wird, bis sich herausstellt, dass er fein raus ist, weil alle Präsentationen auf Russisch und Tadschikisch gehalten werden und ich deshalb diejenige bin, die fast nichts versteht. Immerhin kann ich dadurch, dass ich zwei Tage lang Russisch höre, meine rudimentären Kenntnisse ein wenig auffrischen. Und zum Glück übersetzen mir ein paar nette Leute zwischendurch immer wieder die wichtigsten Informationen, denn Deutsch – das können eigentlich alle Teilnehmer!

Die tadschikischen Dozenten tragen recht ausladend und monoton vor. Unter einer halben Stunde vom Blatt oder den mit Fließtext dicht vollgeschriebenen PowerPoint-Folien abzulesen geht nichts, danach findet noch eine Diskussion von mindestens (!) einer viertel Stunde statt. 

Etwa alle eineinhalb Stunden gibt es eine Pause und wir werden mit den klassischen tadschikischen Snacks versorgt:  Sambusa (mit Fleisch gefüllte Teigtaschen) und einer unglaublichen Vielfalt an Süßigkeiten wie Bonbons, Pralinen, Keksen und Kuchen. Aber zum Glück gibt es auch Pistazien und Mandeln, die in der Schale geröstet sind und einen ähnlichen Suchtfaktor wie Chips haben.

Zum Mittagessen gibt es Salat (zum einen Rohkost, leider mit Mayonnaise, und zum anderen eine Platte mit Tomaten und Gurkenscheiben, glücklicherweise ohne Mayonnaise), Schurbo (eine Suppe mit Gemüse und Fleisch und vor allem vielen schwimmenden Fettaugen), weißes Fladenbrot und danach auch noch Schaschlik (entweder mit Fleischbröckchen vom Rind oder mit um den Spieß gewickeltem Hackfleisch vom Schaf). Als ich die Spieße fotografieren will und sage, dass das für meine Freunde in Deutschland sei, machen sich die tadschikischen Studenten lustig darüber, dass man so etwas Alltägliches überhaupt herzeigen muss, so, als wären sie spektakuläre Wilde, und sie fallen demonstrativ gierig über das Fleisch her  :)

Echter tadschikischer Schaschlik ...
... und die "wilde Horde". Diese Studenten waren sehr lustig und haben während der Vorträge öfters einmal herumgeblödelt und so ein wenig Leben in die manchmal etwas monotonen Vorträge gebracht.

Nach dem Mittagessen halte ich meinen kurzen Vortrag. Er wird heiß diskutiert, der Begriff Re-Islamisierung (der tatsächlich etwas unglücklich gewählt ist) stößt auf viele Nachfragen, Emotionen  und Kritik und zeigt mir, dass es sich beim Islam um ein Thema handelt, mit dem man sehr sensibel umgehen muss. Zum Abendessen gibt es neben social networking viel Obst (ich stürze mich darauf, denn bei meiner Familie ist ja frisches Obst und Gemüse immer noch sehr rar) und zum Nachtisch die klassische tadschikische Tort (das fehlende e ist kein Flüchtigkeitstippfehler, das heißt hier wirklich so). Für dieses Mal werfe ich meine Buttercreme-Verdauungsproblem-Bedenken über Bord und genehmige mir auch ein Stück.

Gestapeltes Obst und typischer tadschikischer Tomaten-Gurken-Zwiebelsalat mit frischen Kräutern. Das Weiße ist Tschakka, ein sauer vergorener Joghurt, der hier sehr beliebt ist und zu ganz vielen Gerichten gegessen wird.
Und zum Nachtisch gab es gleich ...
... zwei verschiedene Sorten Tort!!

Begegnung der anderen Art am und auf dem Klo

Als ich vor dem Abendessen mit meiner Zimmergenossin noch auf die Toilette gehe, passiert folgendes Absurdes: sie schaut nicht richtig auf die beiden Toilettentüren und geht auf die Männertoilette. Im selben Moment kommen zwei Männer und einer von ihnen geht, ohne weiter zu überlegen, auf die Frauentoilette. Sein wartender Kumpel schaut mich interessiert an, was mich ziemlich nervt, und ich zeige, um ihn abzulenken, auf die Toilettenschilder. Es vergeht in etwa eine Minuten, bis er schließlich auch auf die Schilder zeigt, und anfängt unkontrolliert zu kichern, ohne jedoch ein Wort herauszubekommen. Kaum hat er sich beruhigt, zeigt er wieder auf die Schilder, ergießt sich in einem neuen Anfall wilden Gegackers, ruft seinen Freund herbei, der ja aber leider auf dem Örtchen ist, bis er sich schließlich gar nicht mehr einkriegt und sich mit heftigem Gewieher und nach Luft japsend auf eine Bank setzen muss. Ich bete, dass meine Zimmergenossin doch bitte schnell aus der Toilette kommen möge, um mich von diesem schrägen Vogel zu erlösen. Nach einer gefühlten Stunde ist sie schließlich endlich fertig und wir können uns aus den Fängen dieser beiden – wie sich schließlich herausstellt sternhagelvollen – Herren befreien. Ich muss mir eine andere Toilette suchen.

Tadschikische Toiletten sind ein wenig eigen. In modernen Wohnungen und Häusern gibt es natürlich ganz normale Toilettenschüsseln wie bei uns. Aber sehr viele Tadschiken haben ein Plumpsklo, das nichts weiter ist als ein Spalt im Boden, in den man mehr oder weniger gut zielen muss. Auch in Cafés oder in öffentlichen Gebäuden gibt es diese Variante, allerdings dann natürlich mit Spülung und aus Keramik. Auf jeder Seite der eigentlichen Toilette gibt es eine geriffelte Fläche, damit man auch genau weiß, wo man seine Füße in Position bringen soll. Meistens ist es auf dem Boden dieser Toiletten ein wenig ekelig, also krempel ich immer erst meine Hosen hoch und versuche mit den Händen irgendwo einen Halt zu finden, damit ich nicht umkippe und mich schließlich auf dem Boden abstützen muss. Die von mir auf der Flucht vor den betrunkenen Herren gewählte Toilette ist eine einfache Variante, eine Mischung aus Plumps- und Kermikstehklo. Der einzige Halt an diesem Örtchen ist der Toilettenpapierhalter, und während ich noch „beschäftigt“ bin, reißt dieses Ding leider aus der Wand, und ich versuche, mich krampfhaft daran festklammernd, irgendwo einen sicheren und vor allem „sauberen“ Halt zu finden. Manchmal ist mir hier einfach alles viel zu schräg und vor mich hin lachend verlasse ich, noch ein bisschen unter Schock, aber endlich „erleichtert“, das stille Örtchen.

Tja, der sicher Halt liegt leider am Boden (sorry, das Bändchen vom meiner Kamera hat sich einfach mit ins Bild geschlichen).

„Der Bach, der alle Gedanken mit sich nimmt“


Neben dem Tagungsraum fließt, wie schon gesagt, ein Bach. Es ist ein sehr wilder und sehr lauter Bach. Nach dem Abendessen ist es schon dunkel, aber der Vollmond scheint und sich einfach nur an den Bach zu setzen und ihm zuzuhören ist wunderschön. Nur scheint man bei dem „Lärm“ keinen klaren Gedanken fassen zu können. Es ist, als ob der Bach alles, was man im Kopf hat, in seinen „Fluten“ mit sich reißen würde. Das ist allerdings kein bisschen schlimm, denn nach einem Tag voller langer Vorträge tut diese Leere im Kopf sehr gut. Am liebsten würde ich hier gar nicht mehr weggehen, aber langsam wird es ganz schön kalt und ich bin ziemlich müde. Wenn wir hier wegfahren, werden ich ihn auf jeden Fall sehr vermissen, den Bach, der alle Gedanken mit sich nimmt!

Da ist er!!!

Morgens setzte ich mich noch einmal ein bisschen auf einen Taptschan und lausche dem Bach, 

In der Morgensonne

dann gibt es Frühstück, Quark mit Schmand. Irgendwie seltsam, aber es schmeckt ganz gut. 

Quark mit Schmand esse ich hier in Tadschikistan das allererste Mal. Auch auf dem Foto zu sehen: die beliebten Plastik-Schutz-Tischdecken.

Nach weiteren Vorträgen, dem Mittagessen und einem obligatorischen Gruppenfoto geht es am Nachmittag wieder Richtung Dushanbe. Als ich zu meiner Familie komme, herrscht der alltägliche Trubel. Zum Abendessen gibt es eine köstliche, einfache Suppe und als wir am Tisch sitzen und alle wild durcheinander reden fühle ich mich tatsächlich ein bisschen wie zu Hause.

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