Samstag, 12. Mai 2012


Freitag, 11. Mai  

Liebeserklärung in der Nationalbibliothek


Diese Woche habe ich gleich vier Mädels aus Deutschland kennengelernt. Drei davon sind auch Doktorandinnen, wie ich, und die Vierte gibt an der Universität Deutschunterricht. Wir vier Doktorandinnen habe beschlossen, zusammen zur Nationalbibliothek zu gehen und uns einen Benutzerausweis machen zu lassen. Früher war die Firdausi-Bibliothek in einem relativ unscheinbaren Gebäude untergebracht. Aber letztes Jahr wurde neben dem Rudaki-Park eine neues „zu Hause“ für sie gebaut, in dem insgesamt 10 Millionen Bücher Platz haben sollen. Man hört Unterschiedliches, aber jeder Bürger Tadschikistans ist verpflichtet im Schnitt drei Bücher für die neue Bibliothek abzugeben. Das finde ich ein wenig absurd, denn was passiert, wenn alle die ältesten Bücher abgeben, die sie haben oder mehrere Leute das gleiche Buch? Naja. Trotzdem hat die Nationalbibliothek auch sehr alte und sehr wertvolle Schriftstücke in ihrem Bestand.

Die neue Nationalbibliothek - irgendwie beeindruckend, nicht?
Leider befindet sich der eigentliche Eingang hinter/unter der schönen Freitreppe und sieht eher aus wie eine U-Bahn-Unterführung...

Als wir in die Eingangs- und Anmeldehalle kommen werden wir sehr interessiert angesehen, kein Wunder bei so einer rein europäischen weiblichen „Horde“. Zum Glück können zwei der Mädels sehr gut Russisch. Wir müssen erst 10 Somoni zahlen, dann werden Fotos für den Ausweis gemacht. Und lustigerweise folgt bei jeder von uns, als der Student das Foto, das er gemacht hat, zur Kontrolle herzeigt, das gleiche Prozedere: ein interessierter Blick, in der Hoffnung das Foto könnte vielleicht gut aussehen, dann ein kurzes Zögern und schließlich ein leicht resigniertes Abwinken … „Ist ja nur für den Büchereiausweis!“ 

Der Eingangs- und Anmeldebereich ist allerdings sehr schön gestaltet.
Zum Abwinken ... Frau von und zu Rugby, oder was?

Dann geht es wieder zur Anmeldung. Die Daten müssen aufgenommen werden und die beiden Studenten (ein Junge und ein Mädchen), die das bei mir machen, sind die ganze Zeit am Rumblödeln und Lachen, was mich sehr amüsiert. Das Ganze dauert ein bisschen, weil sie die lateinische Schrift nicht so gewohnt sind. Sie besprechen sich immer wieder leise und plötzlich sagt der Junge: „Guten Tag“, schaut mich fragend an, sie schubst ihn, scheint ihm zu sagen, dass das nicht stimmt, er schaut mich wieder fragend an, ich sage kopfnickend: „Jaja, doch: Guten Tag! Das stimmt.“ – obwohl er wahrscheinlich außer dem „Guten Tag“ nichts verstanden hat. Das geht weiter so mit ein paar anderen Redewendungen, bis er schließlich zu mir sagt, während sie sich vor Lachen schon schüttelt: „Ich liebe dich“. Lachend streiche ich mir übertrieben geschmeichelt übers Haar. Zum Glück bekomme ich in diesem Moment meinen Pass zurück und kann mich von den beiden verabschieden, denn wer weiß was danach noch gekommen wäre :)
Nachdem die Anmelde-Hürde überwunden ist, laufen wir durch die Bibliothek, schauen uns hier und dort ein bisschen um und lassen uns das Ausleihsystem erklären. Die Bibliothek ist von chinesischen Arbeitern erbaut und dieses Jahr erst eingeweiht und eröffnet worden. Über die Qualität der Bauweise hört man sehr unterschiedliche Meinungen, von Begeisterung bis dahin, dass es bei Regen durch die Decke tropfen würde. Als wir im Fahrstuhl stehen und die Luft dort sehr verbraucht riecht, sagt uns ein Student, dass die Klimaanlage nicht funktioniert, was aber das kein Wunder wäre, denn der Aufzug sei ja schließlich ein chinesisches Produkt.  

Der moderne Rechercheraum. Leider ...
... sind die ganzen Bücher noch alle in den Zettelkatalogen registriert und die Computer stehen noch unbenutzt rum.
Der Lesesaal.
Eine kleine Auswahl aus dem Zeitschriftenlesesaal
Diese unscheinbare Palette könnte möglicherweise vielleicht einen ganz klitzekleinen Hinweis darauf geben, dass die Bibliothek von Chinesen gebaut wurde...
Würde man die Bibliothek über die Freitreppe betreten, käme man in eine beeindruckende Halle mit einem bombastischen Kronleuchter...
... eine hübsche Malerei über die Geschichte der Tadschiken ...
... und Entspannungsbereiche für die Studenten.
Dieser Sessel ist zwar ein wenig ... magenta, aber er war einfach saugemütlich (tschuldigung!) und als ich mich reingesetzt hatte wollte ich gar nicht mehr aufstehen

Etwas geschafft, aber als stolze Besitzer einer Benutzerkarte, verlassen wir nach etwa einer Stunde wieder die Bibliothek. Zur Belohnung geht es noch in ein georgisches Restaurant mit einer unsagbar griesgrämigen Bedienung, wo wir noch zwei andere Doktoranden treffen und einen netten Abend verbringen – nun gut, eigentlich ist er nett, aber nachdem mich seit dem Morgen ein Durchfall quält, bin ich froh, als ich um neun Uhr ins Bett fallen und endlich schlafen kann.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen