Dienstag, 7. August 2012


Montag, 06.August

Tadschikische Architekturstilleben II


Erst einmal muss ich mich dafür entschuldigen, dass der letzte Blogbeitrag so lange Zeit zurück liegt. Aber die Arbeit hat mich ziemlich in Beschlag genommen und nun bin ich auch noch krank. Ja, in meiner letzten Woche hier hat es mich doch tatsächlich noch erwischt, ein Gemisch aus Grippe und Magen-Darm und so sitze ich gerade am Computer und versuche mich  auf dem Stuhl zu halten während ich den Blogbeitrag schreibe (oh man, klingt ganz schön dramatisch, was?). 

Anlass für die „Tadschikischen Architekturstilleben II“ ist der drohende Abriss eines Teiles der Mahalla (Nachbarschaft), in der ich lebe und die ich sehr gerne mag (und natürlich die Tatsache, dass es schon einen Blog-Beitrag „Tadschikische Architekturstilleben I“ gibt). Vergangene Woche bin ich zu den Bewohnern gegangen, habe ihnen ein paar Fragen gestellt und Fotos von ihren Hinterhöfen gemacht. Die typische Mahalla besteht aus vielen kleinen Höfen, in denen jeweils meist mehrere einstöckigen Häuschen mit ein bis drei Räumen (meist Durchgangszimmer) stehen, eines neben das andere gebaut, die aber nicht miteinander verbunden sind, und deren Türen alle zum Hinterhof hinausgehen. Wenn man durch so eine Mahalla läuft, dann sieht man vor allem hohe Mauern und alle paar Meter ein Tor. Abends sitzen die Leute zwar schon auch mal vor ihren Höfen auf den Wegen und unterhalten sich, aber der Schwerpunkt ihres Lebens spielt sich in der Familie in den Höfen selber ab. 

Zwei typische kleine Straßen in einer Mahalla.
Auch wenn man am Anfang denkt, man würde den Hof von seiner Familie nie wiederfinden ist doch jedes Tor anders.

Vielen dieser Mahallas im Zentrum Dushanbes droht nun der Abriss, einige sind bereits dem Erdboden gleich gemacht worden. Grund dafür ist, dass an den beiden Hauptmagistralen (dem Rudaki- und dem Ajini-Prospekt, der zum Flughafen führt) Neubauten entstehen sollen um das Stadtbild „aufzuwerten“, und zwar weniger zum Nutzen der Bewohner selber, sondern scheinbar, um den Präsidenten, seine Mitarbeiter und seine Gäste auf der Fahrt zu den wichtigsten Einrichtungen und zum Flughafen mit dem beeindruckenden Anblick repräsentativer Gebäude zu erfreuen. Aber nicht nur Mahallas sollen dafür abgerissen werden sondern auch kleinere Geschäftsgebäude und Architekturdenkmäler wie die Hauptpost und das Kohi Dschomi (das Kino in dem ich schon zwei denkwürdige Konzerte erlebt habe). An deren Stelle sollen „multifunktionale Wohnhäuser“ mit Einkaufszentren und Büros in den unteren Etagen erbaut werden. 

Eines der neuen Wahrzeichen der Stadt: die "Twin-Towers" (kein Witz, die werden hier wirklich so genannt!)
Alt trifft Neu: das Einkaufs- und Wohnzentrum "Pojtacht" spiegelt sich in dem Fenster eines alten Gebäudes

Allerdings ist das Versorgungsnetz der Stadt nicht dafür gemacht, sehr viel mehr Haushalte als heute zu beliefern, Strom- und Wasserausfällte sind bereits jetzt alltäglich. Ein weit größeres Problem sind aber die weichen und instabilen Böden im Zentrum von Dushanbe. Im Falle eines größeren Erdbebens besteht die Gefahr, dass der Boden absinkt und mit den Hochhäusern wären sehr viel mehr Opfer zu beklagen, als bei den relativ stabilen einstöckigen Lehmbauten. Außerdem gibt es durch die neuen Hochhäuser ein Überangebot an sehr teuren Wohnungen, die sich viele Tadschiken gar nicht leisten können. Die aus den Mahallas umgesiedelten Familien sollen zwar eine angemessene Entschädigung oder eine Ersatzwohnung bekommen, meist erhalten sie aber nur ein Grundstück in den entlegeneren Bezirken der Hauptstadt, und das auch noch ohne Haus. Es ist fast unmöglich für sie, sich gegen die Ansprüche des Staates zu wehren. 

Hier noch ein paar Architekturstilleben aus meinen Streifzügen durch die Stadt:

Sowjetarchitektur at it's best ...
... manche Gebäude sind wirklich ein wenig trostlos!
Manche haben aber ihren ganz eigenen Charme - dieses hier zum Beispiel ist in Jeans gehalten ...
... und den kitschigen Zuckerbäckerstil kann man in ungeahnte Extreme treiben!
Dafür werden Nahaufnahmen von trister Bauweise ...
... zumal im richtigen Licht gmeacht, zu Fotos mit interessanten Musterungen.
Hier die Balkone des Awesto-Hotels in der Rudaki
Sehr beliebt an den ein- bis zweistöckigen Häusern ...
... sind Erker und man findet sie ...
... in allen Formen und Ausführungen in der ganzen Stadt.
Hier ein schönes Mosaik an dem Aufgang zu einem Theater
Ob man die Farbe des Automaten wohl passend zum Ladenschild dahinter ausgewählt hat?
Wie zu Omis Zeiten. Fenster wie dieses gibt es auch sehr viele in der Stadt
Phu! Grün sticht Grün...
Okay! Wenn der Baum nicht weggehen will, dann bauen wir unser Haus eben einfach außenrum! So!
P.S.: Heute habe ich übrigens das letzte Mal Wäsche gewaschen, bevor ich am Montag wieder nach Hause fliege :)

P.P.S.: Die meisten Informationen zu diesem Blogbeitrag sind aus dem Artikel „Abriss Dushanbe“ von Wladimir Sgibnev in dem Blog Tethys: Central Asia Everyday -  http://www.tethys.caoss.org/index.php/2012/02/28/abriss-duschanbe/



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