Samstag, 11. August 2012


Sonntag, 12. August

Deutschland, ich komme!!!


Morgen früh ist es endlich soweit, morgen früh darf ich nach Deutschland zurückfliegen. Um drei Uhr geht es zum Flughafen, um 5:40 startet der Flieger – Inschallah, Turkish Airlines scheint mir nicht die pünktlichste Fluggesellschaft zu sein – und um 18 Uhr werde ich wieder deutschen Boden betreten. Gott!! Ich klinge, als wäre ich fünf Jahre auf einer – fast – einsamen Insel verschollen gewesen, gekidnappt von einem Stamm von Wilden, bei dem ich mich vor dem sicheren Tod durch langsames Simmern als Suppenbeilage nur mittels abenteuerlicher Flucht à la Indiana Jones retten konnte.

Nichts desto trotz fühle ich mich tatsächlich ein bisschen so. Ich habe auch ein leichtes Déjà vu, denn ich kann mich leise daran erinnern, dass es mir und meiner Forschungshelferin vor unserer Abreise aus dem Dorf sehr ähnlich gegangen ist. Was haben wir uns kaputt gelacht bei der Vorstellung, wie wir uns am Morgen unserer Abreise gebärden: Der Wagen steht noch nicht richtig zum Beladen bereit, da rennen wir schon los, wild schreiend, mit verzerrten Gesichtern und uns gegenseitig mit den Ellbogen aus dem Weg schubsend, wie bei einem Kampf um einen Rugby-Ball, weil jede zuerst im Auto sitzen will. Den Rucksack vergessen? Egal, die Zivilisation ruft! Die Notebooktasche und den Schlafsack liegen gelassen? Was soll’s – Hauptsache, wir sitzen im Auto Richtung Stadt. Und dass wir dem Fahrer nicht noch eine Pistole an den Kopf halten und ihn bedrohen, damit er so schnell wie möglich los fährt, ist wirklich alles. Ich hoffe, ich kann mich morgen früh beherrschen, damit mich meine Familie in guter Erinnerung behält und ich nächstes Jahr wiederkommen darf. 

Es ist gar nicht, dass ich Tadschikistan so schrecklich finde. Ich bin sehr gerne hier. Wenn ich nach Deutschland zurückkomme, werde ich ganz sicher vieles vermissen: die Leute, die ich hier kenne, meine Familie, bei der immer etwas los ist und die irgendwie immer aufgeregt über den Hof hin- und herläuft. Das leckere Essen. Das frischgebackene Fladenbrot. Die Sicherheit, dass spätestens ab Juni jeden Morgen beim Aufstehen die Sonne scheint und man in seine leichten Sommerklamotten springen kann, ohne über das Wetter nachzudenken. Meine samstäglichen Besuche im Morning Star Café (ja, ich gebe es ja zu, ich war regelmäßig im „Ausländercafé“). Den Zug, den man jeden Abend in der Ferne pfeifen (oder besser gesagt hupen) hört, ein ganz eigener Klang. Die Jungs, die einem auf der Straße nicht selten ein „Hello“ entgegenschmettern, als wäre es eine Art Balzruf (die Wagemutigeren unter ihnen setzen sogar noch ein „What’s up?“ hinzu). Die Mahalla, in der ich wohne. Auf dem Basar einkaufen zu gehen. Die Stimmung in Dushanbe. Und, und, und, und…

Zwei Dinge werde ich allerdings ganz sicher nicht vermissen: Viele tadschikische Männer essen Kautaback und spucken deswegen überall hin, egal wo sie gehen und stehen, so als wären sie irgendwie undicht. Klingt ekelig? Ist es auch! Und dann sind da noch die Fliegen in meinem Zimmer, die so unglaublich aufdringlich sind, dass ich mich wie eine Kuh auf der Weide fühle, nur leider ohne den praktischen Schwanz, der die lästigen Dinger vertreiben kann, während man selber am Tisch sitzt und isst oder am Computer arbeitet. Es ist nicht so wie in Deutschland, dass da vielleicht ein oder zwei Fliegen über den Tisch summen und sich mal hier und da auf dem Essen niederlassen. Nein, diese Dinger fliegen aufgeregt um mich herum, fallen im Sturzflug meine Ohren oder Nasenlöcher an (Menno, warum denn nur?), manchmal auch meinen Mund, obwohl ich mich nicht einmal sonderlich still verhalte, sondern am Computer sitze und arbeite. Wie? Ja, natürlich habe ich es mit einem Fliegenfänger versucht. Aber abgesehen davon, dass ich selber gefühlte hundert Mal daran kleben geblieben bin, hat er nicht wirklich geholfen. Ja, klar, am Morgen hing dort zwar immer etwa vier oder fünf Fliegen fest, aber spätestens am Mittag waren doch wieder so zehn Stück in meinem Zimmer, und das ganze Spiel ging von vorne los.

So, bevor ich nun wirklich von hier weggehe, noch ein Foto zum Abschied von einem romantischen Sonnenuntergang über Dushanbe. Ich hoffe, dass euch der Blog gefallen hat und dass ihr Tadschikistan jetzt ein bisschen besser kennt, als noch vor vier Monaten. Und, wer weiß? Vielleicht folgt ja eine Fortsetzung, wenn ich nächstes Jahr im April wieder hierher komme. Denn es gäbe noch so viel zu erzählen! 

Abendsonne über Dushanbe

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