Freitag, 29. Juni 2012


Donnerstag, 28. Juni

Essen


Heute möchte ich ein wenig ausführlicher über unser Essen im Dorf schreiben. Nachdem wir dort nicht viel mehr zu tun haben als zu arbeiten, schlafen und eben zu essen, ist das für meine Forschungshelferin und mich ein wichtiger Teil unseres Alltags. Wenn man bei Tadschiken zu Gast ist, sind sie vor allem immer um das leibliche Wohl besorgt, und wenn man nicht viel oder gar überhaupt nichts isst, dann sind sie schnell vor den Kopf gestoßen und denken, sie hätten nicht alles getan, dass man sich bei ihnen wohl fühlt. Der Trick ist, dass man so langsam wie möglich isst, nur ganz kleine Bissen nimmt und zwischendurch immer wieder Pausen macht. Denn selbst, wenn man wirklich viel und lange gegessen hat kommt bis zum Schluss die Aufforderung „Gired“ (Nehmen Sie!), „Chured“ (Essen Sie!). Leider habe ich bis heute nicht gelernt, diesen Trick zu beherzigen und darüber hinaus ist meine Forschungshelferin nicht sehr hilfreich, denn sie hält sich sehr oft gar nicht an die Verhaltensregeln und lässt – während ich versuche so viel wie möglich von dem zu essen, was man mir vorsetzt – nicht selten die Hälfte einfach stehen. 

Wenn man auf dem Dorf zu Gast ist, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass für einen eine Ziege oder ein Schaf geschlachtet wird. So auch bei uns. Am zweiten oder dritten Tag als ich vormittags einmal von der Toilette komme, steht ein nettes Schaf auf der Veranda und blökt mich freundlich an. Als ich etwa eine viertel Stunde später zum Fenster hinausblicke, liegt es, schon leicht tot, auf dem Boden.  Obwohl wir unserer Familie immer wieder beteuert haben, dass wir nicht so viel Fleisch essen, gibt es die nächsten Tage natürlich sehr viel von selbigem. Zum Glück kochen sie auch Kartoffeln oder Nudeln dazu und so können wir  um das Fleisch herumessen und zumindest einen Teil davon liegen lassen. An einem Abend sitzen wir mit unserer Familie nach dem Essen zusammen und versuchen wieder zu erklären, dass wir nur selten Fleisch brauchen. Ich erkläre, dass es in Deutschland sehr viele Menschen gibt, die wenig oder gar kein Fleisch essen. Darauf meint unsere Gastmutter, dass wir gute, weil „günstige“ Gäste wären, und dass es kein Wunder sei, dass Deutschland ein so reiches Land ist, wenn die Leute dort nur wenig Fleisch essen. M und ich freuen uns schon, weil wir glauben, dass wir ab sofort fleischloses Essen bekommen. Wie sehr wir uns täuschen sollten, denn am nächsten Tag gibt es zum Mittagessen das hier: 

Einen Happen Schaf gefällig?

Erst, nachdem wir das Essen dieses Mal, entgegen aller Benimmregeln, sofort zurückgeben, bekommen wir für die restliche Zeit tatsächlich nur noch „vegetarisch“ – was so viel heißt wie, dass zwar alles mit Fleisch gekocht, aber ohne oder nur mit vereinzelten Fleischbröckchen serviert wird. Damit können wir leben.

Neue kleine Freunde?


Eines Morgens kommen wir nach dem Aufstehen aus unserem Zimmer und sehen in der Sonne ein Kraut trocknen. M erkennt es sofort als Kamut, eine Heilpflanze, die die Verdauungsorgane durchputzt und auch gegen Würmer helfen soll. Nachdem ich mir von M ein paar „Horrorgeschichten“ auf nüchternen Magen angehört habe (vielleicht waren die Geschichten gar nicht so schlimm, aber im Halbschlaf hat meine Fantasie noch den Rest dazugegeben), bin ich fest davon überzeugt, diese neuen Mitbewohner zu haben. Deswegen ziehen wir am Nachmittag mit unserer Gasttochter los, über steile Wege, damit wir für uns auch so ein Büschel Anti-Wurm-Kraut holen. Und am nächsten Tag gibt es das Ganze dann gekocht, zusammen mit Brot. Nach dem ersten Bissen verstehe ich, warum sich selbst Würmer damit aus dem Staub machen. Trotzdem essen wir tapfer einen Großteil davon auf.

Wer Würmer nicht mag wird Kamut lieben ...

Milch – und was man so alles daraus machen kann


Scheinbar teilen sich in unserem Dorf mehrere Familien den Milchertrag ihrer Kühe und so bekommt unsere Familie alle zwei, drei Wochen drei Tage lang ganz früh morgens einen riesigen Topf voll Milch. Die wird erst einmal heiß gemacht, und wir bekommen jeder eine Schale davon zum Frühstück. Dann wird die abgekühlte Milch in einem Fass von Hand mindestens eine Stunde lang geschlagen. Die Butter, die daraus entsteht, schmeckt echt lecker. 

Butter machen ist für die Frauen im Dorf noch wirklich harte Arbeit

Frische Butter von (hoffentlich) glücklichen Kühen - yummy yummy!

Ein paar Tage lang gibt es ganz frischen Joghurt (Tschurghot) und danach wieder den sauer vergorenen Tschakka (der aussieht wie Sahnequark). Zu Nudeln und Kartoffeln schmecken die beiden eigentlich richtig gut. Außerdem wird aus der Milch Kurut hergestellt. Das sind Kugeln aus einer eingekochten salzigen Milchmasse, die in der Sonne getrocknet und im Winter in Milch oder Wasser wieder aufgelöst werden. Aber die Leute (in der Stadt) essen sie auch gerne zu einem Bier oder knabbern sie einfach nebenher. Sie müssen wohl sehr intensiv schmecken und ich habe mich, ehrlich gesagt, noch nicht an sie herangetraut.
 
Schaut eigentlich richtig verführerisch aus, was? Wie Baiser oder Kokosmakronen

Ein weiteres Highlight unserer Ernährung ist zum Frühstück eine halbe Müslischale voll dickflüssiger Kondensmilch, mit etwas Brot zum Eintunken. Hier ein Beweisfoto. Ich meine, das Zeug ist wirklich lecker, aber genauso gut könnte ich ein halbes Schälchen mit Zucker essen, oder? 

Irgendetwas stimmt hier an dem Tee-Kondensmilch-Verhältnis nicht

Apropos Zucker, die meisten Tadschiken lieben ihren Tee sehr süß (außer im Pamir, da gibt es vor allem Schirtschoi, einen Tee mit Milch oder Butter und Salz). Vielleicht ist das der Grund, warum der Würfelzucker hier ganz andere Dimensionen hat als bei uns. Und auch der Kandiszucker kommt in etwas größeren Stücken daher.

WürfelzuckerSTÜCKE...

... und KandiszuckerBROCKEN

Und dann liegt da jeden Tag noch etwas auf unserem Tisch, was mich immer wieder freut, wenn ich es sehe: Kekse in Handy-Form und sms-Kekse. Das ist doch super, oder? Ich meine, wer kann in Deutschland schon sagen: „Du, ich habe heute drei sms und zwei Handys gegessen“?

Meine Favoirten auf dem gedeckten Tisch :)

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