Sonntag, 3.
Juni
Sechs Wochen lang „ohne Zivilisation“
Eigentlich
bin ich ja zum Arbeiten nach Tadschikistan gekommen und wollte dafür zuerst in
Dushanbe und dann auf einem Dorf Interviews führen. Aber es hat eine
kurzfristige Planänderung gegeben (wie soll’s auch anders sein in
Tadschikistan?) und nun bin ich für etwa sechs Wochen auf dem Land, oder besser
gesagt in den Bergen.
Das Dorf
liegt nördlich von Dushanbe im Zerafshangebirge auf 2400 m. Früher musste man,
um dorthin zu kommen, über einen Pass bis nach Anzob fahren, nach Osten
abbiegen, und nach etwa einer halben Stunde holprigen Weges war man dann da.
Heute gibt es einen „komfortablen“ Tunnel durch das Gebirge, mit dem man in der Nähe von Ajni rauskommt. Der Tunnel ist ein Erlebnis für sich. Er ist
fast vollkommen dunkel. Die Straße ist am Anfang noch einigermaßen in Ordnung.
Zwischendurch hängen ein paar nackte, grelle Glühbirnen von den Wänden und
immer wieder hört man lautes Motorengeräusch näher kommen, bis man schließlich
einige Arbeiter sieht, die mit großen Maschinen an der Verbesserung der Straße
arbeiten. Diese wird nämlich nach ein
paar Minuten Fahrt zunehmend schlechter, die Schlaglöcher spürbar größer und
das Wasser am Boden immer tiefer. Vor und hinter uns fährt zum Glück jeweils
ein Jeep, dadurch ist es nicht ganz so dunkel. Aber die Luft ist diesig von den
Abgasen der Autos, das Abluftsystem
scheint nicht besonders gut zu funktionieren. Es ist als würde man durch einen
finsteren Wald fahren, aber am Straßenrand sind keine Bäume, sondern
Steinwände, und je tiefer wir in den Berg hineinfahren, desto mehr fühle ich
mich wie in Moria. Gleich werden wir ihn wecken, mit unserem Autolärm, den
Balrog von Khazad-dum…
Eigentlich
wollten wir den klassischen Weg über den Anzob-Pass nehmen, aber leider ist der
Fahrer, der am Tag zuvor „angeheuert“ worden war, nicht aufgetaucht. Wir fahren
mit einem anderen Jeep mit, dessen Fahrer allerdings wiederum auf einen weiteren
Passagier wartet. Mit zwei Stunden Verspätung geht es schließlich endlich los.
Unser Gepäck und das der anderen Fahrgäste wird reisesicher auf dem Dach des Jeeps festgeschnürt. |
In Ajni holen uns der Vater und der Bruder des Gastsohnes ab, der mit uns von
Dushanbe mitgefahren ist und für eine Woche bei seiner Familie bleiben wird. Auf dem Weg
ins Dorf sehen wir schon den „Hausberg“. Letztes Jahr haben an dieser Felswand
die Klettermeisterschaften der GUS-Staaten stattgefunden. Und dieses Jahr soll
es im Juni oder Juli sogar eine Art Europa-Klettermeisterschaften geben (so ganz verstanden habe ich das nicht und die Leute im Dorf selber wohl auch nicht). Ich bin
gespannt, denn ich fände es sehr absurd bis ans Ende der Welt zu fahren, nur um
dann einer Horde von Europäern zu begegnen.
Der "Hausberg"... |
... des Dorfes, in dem ich die nächsten fünf, sechs Wochen leben werde. |
Unsere
Gastfamilie ist – wie immer hier in Tadschikistan – äußerst nett und
gastfreundlich. Ich bin trotzdem sehr froh eine Übersetzerin dabei zu haben.
Und da der Gastsohn auch ein bisschen Deutsch spricht, laufen wir eigentlich
jeden Tag zu dritt durch das Dorf und
erkunden auf unseren Spaziergängen die Umgebung.
Im Dorf selber sieht es manchmal ein bisschen karg aus ... |
... aber außenrum ist es meist sehr schön grün. |
Der Mann im Internetladen
in Dushanbe hatte mir gesagt, dass mein Internetstick hier funktionieren
würde. Langsamer, aber immerhin. Nun. Wir sind sogar einen Berg hochgestiegen,
um vielleicht möglicherweise ein klitzekleines bisschen Empfang zu bekommen,
aber leider: Internet nest (gibt es nicht)!!! Nach zwei Wochen, abgeschnitten
von der Aussenwelt, musste ich nun allerdings feststellen, dass der Mann im
Laden Recht hatte. Das Internet funktioniert, sogar sehr gut, leider wusste ich
nicht, dass ich an dem Stick etwas umstellen muss… *hüstel* Nun bin ich also
wenigstens wieder mit der „Zivilisation“ verbunden und kann meine Mails
abrufen. Erschreckend, wie schnell man sich an solche Sachen wie das Internet
gewöhnt und wie abhängig man schon von ihnen ist!
Ansonsten
ist die Natur hier sehr schön. In der ersten Woche hat es noch viel geregnet. Jetzt scheint die Sonne schön warm, aber im Schatten und in den Zimmern ist es sehr
kühl. Nachts schlafen wir unter kuschelig warmen Decken und deshalb kann uns die Kälte nichts anhaben. Flöhe gibt es hier zum Glück nicht. Das Plumpsklo hat
hier immerhin eine Tür (nicht so bei meiner Gastfamilie in Dushanbe, da ist man
vor den Blicken nur durch einen Vorsprung geschützt) und das Bad ist ein
Kämmerchen mit Steinboden. Wenn wir uns waschen wollen bekommen wir eine
Zinnkanne mit warmem Wasser. Nachts traue ich mich seit kurzem nicht mehr
raus, weil uns die Leute erzählt haben, dass es in den Bergen Wölfe und
Leoparden gibt und ich vor meinem inneren Auge schon zwei leuchtend rote Augen
und lefzende Zähne sehe, von einer Bestie, die nur darauf wartet, dass
sie mich kurz vor der Toilettentür
anfallen kann…
Der Blick aus unserem Zimmer |
Sehr ihr? Gaaaanz weit hinten unten ist die Toilette. Und das ist nur der halbe Weg... |
In diese Kannen bekommen wir immer unsere morgendliche Wasserration zum Waschen. |
Auch wenn
ich jetzt wieder Internet zur Verfügung habe, werde ich wohl trotzdem leider nicht mehr so viele Beiträge in diesen Blog stellen können, denn die Interviews kosten sehr viel Zeit. Und obwohl mir das Blog Schreiben richtig Spaß macht, ist es doch auch sehr zeitintesiv. Und letztendlich bin ich ja zum Arbeiten hierher gekommen...
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