Montag, 18. Juni 2012


Montag, 18. Juni   

Unser Dorfalltag


Nachdem sich unsere Arbeit im Dorf ein bisschen gelichtet hat, habe ich auch wieder Zeit für den Blog zu schreiben. Unser „Alltag“ hat sich recht schnell eingeschliffen und sieht, mit kleinen Abweichungen, eigentlich immer gleich aus. 

Unsere Gastfamilie steht zwischen viertel nach vier und fünf Uhr auf, je nachdem ob sie auf die Hochweide oder ein weiter entferntes Feld gehen müssen oder nicht. Ich würde ja auch gerne so früh aufstehen, aber irgendwie wache ich immer erst zwischen halb sechs und sechs Uhr auf. Dann stehen meine Forschungshelferin (ich nenne sie ab sofort M) und ich auf und räumen unsere Betten weg. 

Morgensonne am klaren Himmel. Wenn es nicht regnet, ist es im Dorf wirklich wunderschön!
Auch über den Blick aus unserem Fenster kann man sich nicht wirklich beschweren...

Das klingt zunächst ein wenig seltsam, aber unsere Betten bestehen aus drei oder vier übereinanderliegenden Kurpatschas (das sind dicke Sitzmatten für den Boden), und zwei warmen Zudecken. Und dort, wo wir nachts liegen, befindet sich tagsüber immer unser „Tisch“. 

Nachts Schlafplatz...
... und tagsüber reich gedeckter Dastarchan.

Nachdem wir also unsere Tagessitzdecken hergerichtet haben, wird der Dastarchan ausgebreitet, eine Tischdecke für den Boden. Und der wird gedeckt mit allen möglichen Leckereien: Brot, Butter, Tee - und mindestens zehn kleinen Tellern mit Süßigkeiten. Das ist nicht besonders hilfreich für mich. Denn gerade Süßigkeiten esse ich wahnsinnig gerne. Und bei so einer Arbeit, wie Interviews vom Band abtippen, ist der regelmäßige Griff zum Tisch beinahe unvermeidlich. Nachdem wir auch fast nur rumsitzen und uns nicht viel bewegen, habe ich nach ein paar Wochen leider gleich mal einige Kilo mehr auf den Hüften. Na Bravo!

Vor dem Frühstück gehen wir allerdings zuerst in das Wäschkämmerchen, das in der Nähe der Toilette ist, und das halbe Dorf sieht immer ganz genau, wann wir aufgestanden sind. Nach dem Frühstück machen wir entweder Interviews oder tippen die Interviews, die wir schon gemacht haben, ab. Mittagessen gibt es immer recht früh, manchmal schon um viertel nach zehn, meist aber um elf oder halb zwölf. Dafür gibt es das Abendessen erst um acht oder halb neun. Nach dem Zähneputzen arbeiten oder lesen wir noch ein bisschen, und dann geht es auch schon wieder ins Bett. 

Manchmal gehen wir tagsüber spazieren, aber nachdem der Gastsohn nach einer Woche wieder nach Dushanbe zurückgefahren ist, haben wir niemanden mehr, der uns „ablenkt“ und so arbeiten wir brav und fleißig vor uns hin. 

Das ist übrigens unsere Zimmerdecke. Hübsch, oder?

Immer, wenn ich zur Toilette gehe, muss ich an zwei Häusern vorbeigehen. Auf der rechten Seite wohnt eine Familie mit kleinen Kindern. Irgendwie hat sich der Sohn in mich „verliebt“ und wenn er sieht, dass ich auf dem Weg zum stillen Örtchen bin, rennt er lachend so schnell wie möglich vor mir her und stellt sich in die Toilette. Dort muss ich ihn dann erst rausheben und ganz schnell die Türe zu machen, damit er ja nicht wieder reinkommt. Er wartet geduldig bis ich fertig bin und wir gehen zusammen den Weg hoch, zurück zum Haus. Und wenn ich meine Hände am Brunnen wasche, hält er mir auch seine kleinen Hände hin, damit ich sie ein bisschen mitwasche. Natürlich - denn Sauberkeit muss schließlich sein :)

Das ist das Haus ...
... in dem der kleine Junge und seine Schwester wohnen.

Bei dem Haus auf der linken Seite sitzt meist ein altes Ehepaar auf der Veranda. Ich sehe sie zwar immer schon von Weitem, aber erst wenn ich nah genug bin bleibe ich kurz stehen, lege meine Hand auf die Brust, verbeuge mich leicht, sage „Assalom“ und gehe, während sie mir auch zunicken, meines Weges. Ich finde die beiden so unglaublich sympathisch, dass ich sie am liebsten, zusammen mit ihrer Bank, mit nach Deutschland nehmen würde. Als ich sie gefragt habe, ob ich ein Foto von ihnen machen kann, hat sich der alte Mann zuerst eine andere Kopfbedeckung bringen lassen, dann hat er sein Gesicht mit den Händen abgewischt (obwohl es gar nicht sichtbar schmutzig war) und schließlich noch ausführlich seinen Bart hergerichtet, während seine Frau dasaß und keine Anstalten gemacht hat, sich für das Bild extra schön zu machen. Wie lustig :)

Und das ist das alte Ehepaar. Zum Knuddeln!!

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