Montag, 06.August
Tadschikische Architekturstilleben II
Erst einmal muss ich mich dafür entschuldigen, dass der letzte Blogbeitrag so
lange Zeit zurück liegt. Aber die Arbeit hat mich ziemlich in Beschlag genommen
und nun bin ich auch noch krank. Ja, in meiner letzten Woche hier hat es mich doch tatsächlich noch erwischt, ein Gemisch aus Grippe und Magen-Darm und so sitze ich
gerade am Computer und versuche mich auf
dem Stuhl zu halten während ich den Blogbeitrag schreibe (oh man, klingt ganz
schön dramatisch, was?).
Anlass für die „Tadschikischen Architekturstilleben II“ ist
der drohende Abriss eines Teiles der Mahalla (Nachbarschaft), in der ich lebe
und die ich sehr gerne mag (und natürlich die Tatsache, dass es schon einen
Blog-Beitrag „Tadschikische Architekturstilleben I“ gibt). Vergangene
Woche bin ich zu den Bewohnern gegangen, habe ihnen ein paar Fragen gestellt
und Fotos von ihren Hinterhöfen gemacht. Die typische Mahalla besteht aus
vielen kleinen Höfen, in denen jeweils meist mehrere einstöckigen Häuschen mit
ein bis drei Räumen (meist Durchgangszimmer) stehen, eines neben das andere
gebaut, die aber nicht miteinander verbunden sind, und deren Türen alle zum
Hinterhof hinausgehen. Wenn man durch so eine Mahalla läuft, dann sieht man vor
allem hohe Mauern und alle paar Meter ein Tor. Abends sitzen die Leute zwar schon
auch mal vor ihren Höfen auf den Wegen und unterhalten sich, aber der
Schwerpunkt ihres Lebens spielt sich in der Familie in den Höfen selber ab.
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Zwei typische kleine Straßen in einer Mahalla. |
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Auch wenn man am Anfang denkt, man würde den Hof von seiner Familie nie wiederfinden ist doch jedes Tor anders. |
Vielen dieser Mahallas im Zentrum Dushanbes droht nun der
Abriss, einige sind bereits dem Erdboden gleich gemacht worden. Grund dafür
ist, dass an den beiden Hauptmagistralen (dem Rudaki- und dem Ajini-Prospekt,
der zum Flughafen führt) Neubauten entstehen sollen um das Stadtbild „aufzuwerten“,
und zwar weniger zum Nutzen der Bewohner selber, sondern scheinbar, um den
Präsidenten, seine Mitarbeiter und seine Gäste auf der Fahrt zu den
wichtigsten Einrichtungen und zum Flughafen mit dem beeindruckenden Anblick repräsentativer Gebäude zu erfreuen. Aber nicht nur Mahallas
sollen dafür abgerissen werden sondern auch kleinere Geschäftsgebäude und
Architekturdenkmäler wie die Hauptpost und das Kohi Dschomi (das Kino in dem
ich schon zwei denkwürdige Konzerte erlebt habe). An deren Stelle sollen „multifunktionale
Wohnhäuser“ mit Einkaufszentren und Büros in den unteren Etagen erbaut werden.
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Eines der neuen Wahrzeichen der Stadt: die "Twin-Towers" (kein Witz, die werden hier wirklich so genannt!) |
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Alt trifft Neu: das Einkaufs- und Wohnzentrum "Pojtacht" spiegelt sich in dem Fenster eines alten Gebäudes |
Allerdings ist das Versorgungsnetz der Stadt nicht dafür
gemacht, sehr viel mehr Haushalte als heute zu beliefern, Strom- und
Wasserausfällte sind bereits jetzt alltäglich. Ein weit größeres Problem sind aber
die weichen und instabilen Böden im Zentrum von Dushanbe. Im Falle eines
größeren Erdbebens besteht die Gefahr, dass der Boden absinkt und mit den Hochhäusern
wären sehr viel mehr Opfer zu beklagen, als bei den relativ stabilen
einstöckigen Lehmbauten. Außerdem gibt es durch die neuen Hochhäuser ein
Überangebot an sehr teuren Wohnungen, die sich viele Tadschiken gar nicht leisten
können. Die aus den Mahallas umgesiedelten Familien sollen zwar eine
angemessene Entschädigung oder eine Ersatzwohnung bekommen, meist erhalten sie
aber nur ein Grundstück in den entlegeneren Bezirken der Hauptstadt, und das
auch noch ohne Haus. Es ist fast unmöglich für sie, sich gegen die Ansprüche
des Staates zu wehren.
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