Sonntag, 12. August
Deutschland, ich komme!!!
Morgen früh ist es endlich soweit, morgen früh darf ich nach
Deutschland zurückfliegen. Um drei Uhr geht es zum Flughafen, um 5:40 startet
der Flieger – Inschallah, Turkish Airlines scheint mir nicht die pünktlichste
Fluggesellschaft zu sein – und um 18 Uhr werde ich wieder deutschen Boden
betreten. Gott!! Ich klinge, als wäre ich fünf Jahre auf einer – fast –
einsamen Insel verschollen gewesen, gekidnappt von einem Stamm von
Wilden, bei dem ich mich vor dem sicheren Tod durch langsames Simmern als Suppenbeilage nur mittels abenteuerlicher
Flucht à la Indiana Jones retten konnte.
Nichts desto trotz fühle ich mich tatsächlich ein bisschen
so. Ich habe auch ein leichtes Déjà vu, denn ich kann mich leise daran
erinnern, dass es mir und meiner Forschungshelferin vor unserer Abreise aus dem
Dorf sehr ähnlich gegangen ist. Was haben wir uns kaputt gelacht bei der
Vorstellung, wie wir uns am Morgen unserer Abreise gebärden: Der Wagen steht
noch nicht richtig zum Beladen bereit, da rennen wir schon los, wild schreiend,
mit verzerrten Gesichtern und uns gegenseitig mit den Ellbogen aus dem Weg schubsend, wie bei
einem Kampf um einen Rugby-Ball, weil jede zuerst im Auto sitzen will. Den
Rucksack vergessen? Egal, die Zivilisation ruft! Die Notebooktasche und den
Schlafsack liegen gelassen? Was soll’s – Hauptsache, wir sitzen im Auto Richtung
Stadt. Und dass wir dem Fahrer nicht noch eine Pistole an den Kopf halten und
ihn bedrohen, damit er so schnell wie möglich los fährt, ist wirklich alles.
Ich hoffe, ich kann mich morgen früh beherrschen, damit mich meine Familie in
guter Erinnerung behält und ich nächstes Jahr wiederkommen darf.
Es ist gar nicht, dass ich Tadschikistan so schrecklich
finde. Ich bin sehr gerne hier. Wenn ich nach Deutschland zurückkomme, werde
ich ganz sicher vieles vermissen: die Leute, die ich hier kenne, meine Familie,
bei der immer etwas los ist und die irgendwie immer aufgeregt über den Hof hin-
und herläuft. Das leckere Essen. Das frischgebackene Fladenbrot. Die
Sicherheit, dass spätestens ab Juni jeden Morgen beim Aufstehen die Sonne
scheint und man in seine leichten Sommerklamotten springen kann, ohne über das
Wetter nachzudenken. Meine samstäglichen Besuche im Morning Star Café (ja, ich gebe
es ja zu, ich war regelmäßig im „Ausländercafé“). Den Zug, den man jeden Abend
in der Ferne pfeifen (oder besser gesagt hupen) hört, ein ganz eigener Klang.
Die Jungs, die einem auf der Straße nicht selten ein „Hello“
entgegenschmettern, als wäre es eine Art Balzruf (die Wagemutigeren unter ihnen
setzen sogar noch ein „What’s up?“ hinzu). Die Mahalla, in der ich wohne. Auf dem
Basar einkaufen zu gehen. Die Stimmung in Dushanbe. Und, und, und, und…
Zwei Dinge werde ich allerdings ganz sicher nicht vermissen: Viele tadschikische Männer essen Kautaback und spucken deswegen überall hin, egal wo sie gehen und stehen, so als
wären sie irgendwie undicht. Klingt ekelig? Ist es auch! Und dann sind da noch
die Fliegen in meinem Zimmer, die so unglaublich aufdringlich sind, dass ich
mich wie eine Kuh auf der Weide fühle, nur leider ohne den praktischen Schwanz,
der die lästigen Dinger vertreiben kann, während man selber am Tisch sitzt und isst
oder am Computer arbeitet. Es ist nicht so wie in Deutschland, dass da
vielleicht ein oder zwei Fliegen über den Tisch summen und sich mal hier und da
auf dem Essen niederlassen. Nein, diese Dinger fliegen aufgeregt um mich herum,
fallen im Sturzflug meine Ohren oder Nasenlöcher an (Menno, warum denn nur?), manchmal
auch meinen Mund, obwohl ich mich nicht einmal sonderlich still verhalte,
sondern am Computer sitze und arbeite. Wie? Ja, natürlich habe ich es mit einem
Fliegenfänger versucht. Aber abgesehen davon, dass ich selber gefühlte hundert
Mal daran kleben geblieben bin, hat er nicht wirklich geholfen. Ja, klar,
am Morgen hing dort zwar immer etwa vier oder fünf Fliegen fest, aber
spätestens am Mittag waren doch wieder so zehn Stück in meinem Zimmer, und das
ganze Spiel ging von vorne los.
So, bevor ich nun wirklich von hier weggehe, noch ein Foto zum
Abschied von einem romantischen Sonnenuntergang über Dushanbe. Ich hoffe, dass euch
der Blog gefallen hat und dass ihr Tadschikistan jetzt ein bisschen besser
kennt, als noch vor vier Monaten. Und, wer weiß? Vielleicht folgt ja eine
Fortsetzung, wenn ich nächstes Jahr im April wieder hierher komme. Denn es gäbe
noch so viel zu erzählen!
Abendsonne über Dushanbe |