Montag, 18. Juni
Unser Dorfalltag
Nachdem sich unsere Arbeit im Dorf ein bisschen gelichtet
hat, habe ich auch wieder Zeit für den
Blog zu schreiben. Unser „Alltag“ hat sich recht schnell eingeschliffen und sieht,
mit kleinen Abweichungen, eigentlich immer gleich aus.
Unsere Gastfamilie steht zwischen viertel nach vier und fünf
Uhr auf, je nachdem ob sie auf die Hochweide oder ein weiter entferntes Feld
gehen müssen oder nicht. Ich würde ja auch gerne so früh aufstehen, aber
irgendwie wache ich immer erst zwischen halb sechs und sechs Uhr auf. Dann
stehen meine Forschungshelferin (ich nenne sie ab sofort M) und ich auf und
räumen unsere Betten weg.
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Morgensonne am klaren Himmel. Wenn es nicht regnet, ist es im Dorf wirklich wunderschön! |
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Auch über den Blick aus unserem Fenster kann man sich nicht wirklich beschweren... |
Das klingt zunächst ein wenig seltsam, aber unsere
Betten bestehen aus drei oder vier übereinanderliegenden Kurpatschas (das sind
dicke Sitzmatten für den Boden), und zwei warmen Zudecken. Und dort, wo wir
nachts liegen, befindet sich tagsüber immer unser „Tisch“.
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Nachts Schlafplatz... |
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... und tagsüber reich gedeckter Dastarchan. |
Nachdem wir also unsere Tagessitzdecken hergerichtet haben,
wird der Dastarchan ausgebreitet, eine Tischdecke für den Boden. Und der wird
gedeckt mit allen möglichen Leckereien: Brot, Butter, Tee - und mindestens zehn
kleinen Tellern mit Süßigkeiten. Das ist nicht besonders hilfreich für mich.
Denn gerade Süßigkeiten esse ich wahnsinnig gerne. Und bei so einer Arbeit, wie
Interviews vom Band abtippen, ist der regelmäßige Griff zum Tisch beinahe
unvermeidlich. Nachdem wir auch fast nur rumsitzen und uns nicht viel bewegen,
habe ich nach ein paar Wochen leider gleich mal einige Kilo mehr auf den Hüften. Na
Bravo!
Vor dem Frühstück gehen wir allerdings zuerst in das
Wäschkämmerchen, das in der Nähe der Toilette ist, und das halbe Dorf sieht
immer ganz genau, wann wir aufgestanden sind. Nach dem Frühstück machen wir
entweder Interviews oder tippen die Interviews, die wir schon gemacht haben, ab. Mittagessen
gibt es immer recht früh, manchmal schon um viertel nach zehn, meist aber um
elf oder halb zwölf. Dafür gibt es das Abendessen erst um acht oder halb neun. Nach dem Zähneputzen arbeiten oder lesen wir noch ein
bisschen, und dann geht es auch schon wieder ins Bett.
Manchmal gehen wir tagsüber spazieren, aber nachdem der
Gastsohn nach einer Woche wieder nach Dushanbe zurückgefahren ist, haben wir
niemanden mehr, der uns „ablenkt“ und so arbeiten wir brav und fleißig vor uns
hin.
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Das ist übrigens unsere Zimmerdecke. Hübsch, oder? |
Immer, wenn ich zur Toilette gehe, muss ich an zwei Häusern vorbeigehen. Auf der rechten Seite wohnt eine Familie mit kleinen Kindern. Irgendwie hat sich der Sohn in mich „verliebt“ und wenn er sieht, dass ich auf dem Weg zum stillen Örtchen bin, rennt er lachend so schnell wie möglich vor mir her und stellt sich in die Toilette. Dort muss ich ihn dann erst rausheben und ganz schnell die Türe zu machen, damit er ja nicht wieder reinkommt. Er wartet geduldig bis ich fertig bin und wir gehen zusammen den Weg hoch, zurück zum Haus. Und wenn ich meine Hände am Brunnen wasche, hält er mir auch seine kleinen Hände hin, damit ich sie ein bisschen mitwasche. Natürlich - denn Sauberkeit muss schließlich sein :)
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Das ist das Haus ... |
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... in dem der kleine Junge und seine Schwester wohnen. |
Bei dem Haus auf der linken Seite sitzt meist ein altes
Ehepaar auf der Veranda. Ich sehe sie zwar immer schon von Weitem, aber erst
wenn ich nah genug bin bleibe ich kurz stehen, lege meine Hand auf
die Brust, verbeuge mich leicht, sage „Assalom“ und gehe, während sie mir auch
zunicken, meines Weges. Ich finde die beiden so unglaublich sympathisch,
dass ich sie am liebsten, zusammen mit ihrer Bank, mit nach Deutschland nehmen
würde. Als ich sie gefragt habe, ob ich ein Foto von ihnen machen kann, hat sich
der alte Mann zuerst eine andere Kopfbedeckung bringen lassen, dann hat er sein
Gesicht mit den Händen abgewischt (obwohl es gar nicht sichtbar schmutzig war)
und schließlich noch ausführlich seinen Bart hergerichtet, während seine Frau
dasaß und keine Anstalten gemacht hat, sich für das Bild extra schön zu machen.
Wie lustig :)
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Und das ist das alte Ehepaar. Zum Knuddeln!! |
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