Donnerstag, 28. Juni
Essen
Heute möchte ich ein wenig ausführlicher über unser Essen im
Dorf schreiben. Nachdem wir dort nicht viel mehr zu tun haben als zu arbeiten,
schlafen und eben zu essen, ist das für meine Forschungshelferin und mich ein
wichtiger Teil unseres Alltags. Wenn man bei Tadschiken zu Gast ist, sind sie
vor allem immer um das leibliche Wohl besorgt, und wenn man nicht viel oder gar
überhaupt nichts isst, dann sind sie schnell vor den Kopf gestoßen und denken, sie
hätten nicht alles getan, dass man sich bei ihnen wohl fühlt. Der Trick ist,
dass man so langsam wie möglich isst, nur ganz kleine Bissen nimmt und
zwischendurch immer wieder Pausen macht. Denn selbst, wenn man wirklich viel
und lange gegessen hat kommt bis zum Schluss die Aufforderung „Gired“ (Nehmen
Sie!), „Chured“ (Essen Sie!). Leider habe ich bis heute nicht gelernt, diesen
Trick zu beherzigen und darüber hinaus ist meine Forschungshelferin nicht sehr
hilfreich, denn sie hält sich sehr oft gar nicht an die Verhaltensregeln und lässt
– während ich versuche so viel wie möglich von dem zu essen, was man mir
vorsetzt – nicht selten die Hälfte einfach stehen.
Wenn man auf dem Dorf zu Gast ist, dann ist es sehr
wahrscheinlich, dass für einen eine Ziege oder ein Schaf geschlachtet wird. So
auch bei uns. Am zweiten oder dritten Tag als ich vormittags einmal von der
Toilette komme, steht ein nettes Schaf auf der Veranda und blökt mich
freundlich an. Als ich etwa eine viertel Stunde später zum Fenster
hinausblicke, liegt es, schon leicht tot, auf dem Boden. Obwohl wir unserer Familie immer wieder
beteuert haben, dass wir nicht so viel Fleisch essen, gibt es die nächsten Tage
natürlich sehr viel von selbigem. Zum Glück kochen sie auch Kartoffeln oder
Nudeln dazu und so können wir um das
Fleisch herumessen und zumindest einen Teil davon liegen lassen. An einem Abend
sitzen wir mit unserer Familie nach dem Essen zusammen und versuchen wieder zu
erklären, dass wir nur selten Fleisch brauchen. Ich erkläre, dass es in
Deutschland sehr viele Menschen gibt, die wenig oder gar kein Fleisch essen.
Darauf meint unsere Gastmutter, dass wir gute, weil „günstige“ Gäste wären, und
dass es kein Wunder sei, dass Deutschland ein so reiches Land ist, wenn die
Leute dort nur wenig Fleisch essen. M und ich freuen uns schon, weil wir glauben,
dass wir ab sofort fleischloses Essen bekommen. Wie sehr wir uns täuschen
sollten, denn am nächsten Tag gibt es zum Mittagessen das hier:
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Einen Happen Schaf gefällig? |
Erst, nachdem wir das Essen dieses Mal, entgegen aller
Benimmregeln, sofort zurückgeben, bekommen wir für die restliche Zeit tatsächlich
nur noch „vegetarisch“ – was so viel heißt wie, dass zwar alles mit Fleisch
gekocht, aber ohne oder nur mit vereinzelten Fleischbröckchen serviert wird. Damit
können wir leben.
Neue kleine Freunde?
Eines Morgens kommen wir nach dem Aufstehen aus unserem
Zimmer und sehen in der Sonne ein Kraut trocknen. M erkennt es sofort als Kamut,
eine Heilpflanze, die die Verdauungsorgane durchputzt und auch gegen Würmer
helfen soll. Nachdem ich mir von M ein paar „Horrorgeschichten“ auf nüchternen
Magen angehört habe (vielleicht waren die Geschichten gar nicht so schlimm,
aber im Halbschlaf hat meine Fantasie noch den Rest dazugegeben), bin ich fest
davon überzeugt, diese neuen Mitbewohner zu haben. Deswegen ziehen wir am
Nachmittag mit unserer Gasttochter los, über steile Wege, damit wir für uns
auch so ein Büschel Anti-Wurm-Kraut holen. Und am nächsten Tag gibt es das Ganze
dann gekocht, zusammen mit Brot. Nach dem ersten Bissen verstehe ich, warum
sich selbst Würmer damit aus dem Staub machen. Trotzdem essen wir tapfer einen Großteil davon
auf.
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Wer Würmer nicht mag wird Kamut lieben ... |
Milch – und was man so alles daraus machen kann
Scheinbar teilen sich in unserem Dorf mehrere Familien den
Milchertrag ihrer Kühe und so bekommt unsere Familie alle zwei, drei Wochen drei Tage
lang ganz früh morgens einen riesigen Topf voll Milch. Die wird erst einmal
heiß gemacht, und wir bekommen jeder eine Schale davon zum Frühstück. Dann wird
die abgekühlte Milch in einem Fass von Hand mindestens eine Stunde lang
geschlagen. Die Butter, die daraus entsteht, schmeckt echt lecker.
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Butter machen ist für die Frauen im Dorf noch wirklich harte Arbeit |
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Frische Butter von (hoffentlich) glücklichen Kühen - yummy yummy! |
Ein paar Tage lang gibt es
ganz frischen Joghurt (Tschurghot) und danach wieder den sauer vergorenen
Tschakka (der aussieht wie Sahnequark). Zu Nudeln und Kartoffeln schmecken die
beiden eigentlich richtig gut. Außerdem wird aus der Milch Kurut hergestellt.
Das sind Kugeln aus einer eingekochten salzigen Milchmasse, die in der Sonne
getrocknet und im Winter in Milch oder Wasser wieder aufgelöst werden. Aber die
Leute (in der Stadt) essen sie auch gerne zu einem Bier oder knabbern sie einfach
nebenher. Sie müssen wohl sehr intensiv schmecken und ich habe mich, ehrlich gesagt, noch nicht
an sie herangetraut.
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Schaut eigentlich richtig verführerisch aus, was? Wie Baiser oder Kokosmakronen |
Ein weiteres Highlight unserer Ernährung ist zum Frühstück
eine halbe Müslischale voll dickflüssiger Kondensmilch, mit etwas Brot zum
Eintunken. Hier ein Beweisfoto. Ich meine, das Zeug ist wirklich lecker, aber
genauso gut könnte ich ein halbes Schälchen mit Zucker essen, oder?
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Irgendetwas stimmt hier an dem Tee-Kondensmilch-Verhältnis nicht |
Apropos Zucker, die meisten Tadschiken lieben ihren Tee sehr
süß (außer im Pamir, da gibt es vor allem Schirtschoi, einen Tee mit Milch oder
Butter und Salz). Vielleicht ist das der Grund, warum der Würfelzucker hier
ganz andere Dimensionen hat als bei uns. Und auch der Kandiszucker kommt in etwas
größeren Stücken daher.
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WürfelzuckerSTÜCKE... |
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... und KandiszuckerBROCKEN |
Und dann liegt da jeden Tag noch etwas auf unserem Tisch,
was mich immer wieder freut, wenn ich es sehe: Kekse in Handy-Form und
sms-Kekse. Das ist doch super, oder? Ich meine, wer kann in Deutschland schon
sagen: „Du, ich habe heute drei sms und zwei Handys gegessen“?
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Meine Favoirten auf dem gedeckten Tisch :) |